taz.de -- Kommentar Occupy in Berlin: Gezwungen zum zivilen Ungehorsam
Polizei und Politik verweigern der Occupy-Bewegung ein Zeltlager - mit sich widersprechenden Begründungen.
Die Polizei und der Bezirk Mitte untersagen also weiter ein Protestcamp radikaler Demokratieverfechter im Stadtzentrum. Das war zu erwarten. Nicht aber die bizarre Begründung. Hier der Bezirk: Das Zeltlager sei politisch, damit Aufgabe der Polizei. Da die Polizei: Die Zelte seien unpolitisch, damit kein Teil der laufenden Proteste. Ähm …? Ganz klar: Das Camp muss verboten werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass politisches Zelten in der Stadt keine Chance hat. Auch zwei in diesem Jahr auf dem Alexanderplatz geplante Protestlager erhielten eine Absage. Das Ansinnen der Behörden ist klar: Hier soll sich erst gar nichts verfestigen, was später mit großem Aufwand zu räumen wäre.
Chance für die Bewegung
Klar aber ist auch: Natürlich ist Campieren, das mehr Macht für Bürger und weniger für Banken verlangt, politisch. Und zwar nichts anderes. In Frankfurt und Hamburg hat die Polizei aus diesem Grund auch Zeltlager genehmigt. Auch die Sicherheitskarte zieht nicht: Denn es sind keine Politmilitanten, die sich in Bundestagsnähe niederlassen wollen, sondern Protestneulinge, die mit ihrer ostentativen Gewaltfreiheit den Autonomen längst auf den Senkel gehen. Und die sich durchaus um Kompromisse bemühten, indem sie ein Camp fernab der Parlaments-Bannmeile vorschlugen.
So aber werden die Occupy-Bewegten geradezu zum zivil ungehorsamen Besetzen einer Wiese gezwungen. Für die Bewegung ist das die Chance. Statt ihren Aufstand vorher behördlich genehmigen zu lassen, könnte nun die Kraft der Masse entscheiden: Finden sich hunderte Empörte, die mittels Zelt ihre Kapitalismuskritik ausdrücken wollen, dürfte das Camp schwer zu räumen sein. Dann gehört das Fahrscheinlösen vor der Revolution der Vergangenheit an. Bleibt es beim Kleinprotest, muss sich der Antibankenfuror eben weiter im Netz austoben.
21 Oct 2011
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