taz.de -- Exklusive IPCC-Studie zum Klimawandel: Das Wetter wird extremer
Der UN-Klimarat legt einen Bericht über Extremwetter vor: Der Klimawandel bringt heftigere Stürme, mehr Sturzregen und Hitzewellen. Die Armen trifft es besonders.
BERLIN taz | Drei Wochen vor dem Beginn der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban bekommen die Staaten die Konsequenzen ihres Nichthandelns noch einmal schriftlich: Der Klimawandel wird mehr Menschen betreffen als bisher und höhere wirtschaftliche Schäden verursachen.
Extreme Wetterlagen werden zunehmen, wenn die globalen Mitteltemperaturen bis 2100 um 2 bis 5 Grad Celsius ansteigen. Das geht aus der Zusammenfassung des "Sonderberichts Extremwetter" des UN-Klimarats IPCC hervor, die der taz vorliegt. Der Bericht soll am 18. 11. in Kampala, Uganda, vorgestellt werden.
Es sind vor allem die Entwicklungsländer, die armen Bevölkerungsschichten dort und die Alten und Kranken in den Industriestaaten, die von einem weiter fortschreitenden Klimawandel bedroht sind: Den Slums von Nairobi stehen mehr schwere Regenfälle bevor. Die Staaten der westlichen Sahelzone müssen sich auf weitere Dürreperioden einstellen. Für die kleinen Inselstaaten wird der Anstieg des Meeresspiegels in Verbindung mit stärkeren Wirbelstürmen zu einem "besonderen Thema". In Westeuropa werden die Hitzewellen zunehmen.
Diese am Schluss des IPCC-Berichts "Managing the Risks of Extreme Weather Events" skizzierten Szenarien machen klar: In einer Welt, die bis 2100 zwischen 3 und 5 Grad Celsius im Schnitt wärmer ist, gibt es viele Verlierer.
Der IPCC-Bericht ist eine Blaupause für die kommenden Ausnahmezustände: So sagen die Experten voraus, dass heftige Regenfälle in vielen Gegenden zunehmen werden, vor allem in den Tropen und den Polregionen - im Winter allerdings auch in den mittleren Breiten, also etwa in Europa. Tropische Wirbelstürme werden nicht häufiger, vielleicht sogar ein wenig seltener, aber ihre Zerstörungskraft wird zunehmen, und sie werden von heftigerem Regen begleitet.
Dürren in Mitteleuropa
Mit "mittlerer Sicherheit" prognostizieren die Forscher im 21. Jahrhundert eine Zunahme von Dürren, vor allem im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa, im Süden der USA, in Nordostbrasilien und im südlichen Afrika. Zum Thema Überflutungen ist die Datenlage so schlecht, dass die Klimawissenschaftler keine Vorhersage wagen. Doch der Anstieg der Meeresspiegel werde vor allem in den Gegenden weitergehen, die durch Erosion und Überflutungen bereits betroffen sind.
Die Autorengruppe hat nicht nur auf die naturwissenschaftlichen Entwicklungen geschaut – sondern auch auf die "human impacts", also die Folgen für die Bevölkerung. So heißt es, dass bisher zwar die meisten Sachschäden in den Industrieländern entstanden sind, die Armen der Welt aber mit ihrem Leben bezahlen: "Zwischen 1979 und 2004 geschahen 95 Prozent der Todesfälle bei Naturkatastrophen in den Entwicklungsländern", heißt es in dem Bericht.
Als Gegenmaßnahmen sehen die Forscher vor allem Maßnahmen, die das Leben der Dörfer und Regionen verbessern: Frühwarnsysteme, bessere Kommunikation, mehr Bildung, nachhaltige Landwirtschaft, bessere Wasser- und Sanitärsysteme, schärfere Bestimmungen beim Bau von Gebäuden und Infrastruktur, die Nutzung von lokalem Wissen.
Der IPCC-Bericht kommt nur Wochen nach einer Studie, die zum ersten Mal einen direkten Zusammenhang von Wetterphänomenen und der Klimaveränderung herstellt. Mit Blick auf die außergewöhnliche Hitzeperiode in Russland im Sommer 2010, die zu verheerenden Waldbränden führte, schreiben die Klimaforscher vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dass die Moskauer Hitzewelle "mit hoher Wahrscheinlichkeit" eine Folge des Klimawandels gewesen sei. Hauptautor Stefan Rahmstorf schreibt in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, dass "bei den Temperaturen der Klimawandel zu deutlich mehr Extremen führt".
Damit wird die alte Gewissheit angekratzt, dass unser tägliches Wetter nichts mit dem Klimawandel zu tun hat. Und die Forscher zerstören gleich noch eine andere heimliche Hoffnung, die sich hin und wieder mit dem Klimawandel verbindet: "Die Analyse zeigt leider, dass die Zunahme der Hitzeextreme bei Weitem nicht ausgeglichen wird durch eine Abnahme der Kälteextreme."
11 Nov 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Deutsche Wetterdienst untersucht kleinräumige Unterschiede bei Starkregen. Dabei gibt es sogar Differenzen zwischen einzelnen Stadtteilen.
Die Schadenzahlen für die letztjährigen Naturkatastrophen erreichen einen neuen Spitzenwert. Am teuersten war das Erdbeben in Japan - Atomkatastrophe nicht mitgerechnet.
Das Kioto-Protokoll gilt als Flop, dabei ist das 14-jährige Abkommen sehr erfolgreich. Aber so ist das mit Teenagern: Ihre Existenz ist alles andere als einfach.
Die Industrieländer sollen sich um den Klimawandel kümmern. Peking kündigte vor dem Klimagipfel in Durban an, als Schwellenland keine Reduktionsziele festlegen zu wollen.
Das bisschen Greenwashing von Politik und Wirtschaft reicht nicht aus. Wie also können Menschen und Gesellschaften sich dazu bringen, zu handeln - und das sofort?
Erstmals wurde ein Unwettertief über dem Mittelmeer als tropischer Sturm klassifiziert. Bis zu sechs Meter hohe Wellen brandeten auf die Strandpromenade von Lavagna.
Selbst die pessimistischsten Prognosen wurden noch übertroffen. 2010 stiegen die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen stärker als je zuvor.
Ein Gutachten befeuert nun Diskussionen über den tatsächlichen Nutzen von verschiedenen Technologien gegen den Klimawandel. Meinungen gibt es viele, Belege kaum.
Manche Umweltschützer halten die CO2-Speicherung für gefährlich, andere sehen sie als Notbremse gegen die Klimakatastrophe. Die Kohleindustrie hofft jedenfalls.
Noch nie hat sich das Meereis im hohen Norden so stark zurückgezogen wie in diesem Sommer. Wissenschaftler warnen vor Umweltgiften aus dem nicht mehr ewigen Eis.