taz.de -- Frauenfußball: Der Chef mag sie
Der 1. FFC Turbine Potsdam duelliert sich mit Frankfurt und trauert Fatmire Bajramaj nicht mehr nach. Deren Rolle spielt jetzt Torgarantin Genoveva Anonma.
"Ich versuche mein Bestes zu geben, um körperlich mitzuhalten", sagt Genoveva Anonma. Es ist ein Satz, der sich aus dem Munde der derzeit besten Stürmerin der Frauen-Bundesliga seltsam anhört. Ihre Trefferquote ist phänomenal: In acht Spielen traf sie für Turbine Potsdam 14-mal. Vergangene Woche bei Bayern München traf sie wieder dreifach.
Aber die Nationalspielerin Äquatorialguineas, die diesen Sommer vom Abstiegskandidaten Jena nach Potsdam kam, rückt ihre ungeahnten Umstellungsschwierigkeiten in den Mittelpunkt. Taktisch wäre das Turbine-System mit den drei Stürmerinnen für sie nicht so eingängig gewesen. Technisch müsse sie sich noch verbessern. Und die Physis sei eben das größte Problem.
Das sagt die Frau, die maßgeblich dafür gesorgt hat, dass in Potsdam kaum einer mehr über Fatmire Bajramaj, die Alleinunterhalterin der letzten beiden Jahre, spricht. Deren Weggang hatte im Sommer bei manchem Turbine-Anhänger Untergangsstimmung ausgelöst.
Ungeschlagen steht der Verein nun an der Tabellenspitze und muss am Sonntag (14 Uhr) zum direkten Verfolger, dem 1. FFC Frankfurt, der trotz Bajramaj und etlichen anderen namhaften Zugängen wieder leicht hinterherhinkt.
Anonma hat in Potsdam Bajramajs Rolle als Publikumsliebling übernommen. Auf einen Vergleich mit ihr will sich Anonma aber nicht einlassen. "Ich spiele mit Hilfe der Mannschaft gut. Bajramaj kann individuell aus sich heraus den Unterschied ausmachen."
Die Teamspielerin
Turbine-Trainer Bernd Schröder äußert sich ähnlich: "Anonma ist mehr eine Teamspielerin." Dies ist allerdings eine überraschende Erkenntnis. Bislang fiel Anonma ebenso wie Bajramaj eher als Alleinunterhalterin auf. Gezwungenermaßen, wie Anonma nun erklärt. Denn in Jena sei das Niveaugefälle bei ihren Mitspielerin sehr groß gewesen. Sie war auf sich gestellt. Ebenso wie in ihrem Nationalteam diesen Sommer bei der Weltmeisterschaft.
Die Qualitäten von Anonma scheinen sich erst jetzt im richtigen Verbund voll entfalten zu können. In welch rasantem Tempo das geschieht, nennt Schröder "eine angenehme Überraschung". Selbst Anonma sagt: "Als Fußballerin habe ich in den letzten Monaten einen großen Schritt nach vorn gemacht."
Ihr ansonsten starker Hang zur Selbstkritik lässt sich indes nur verstehen, wenn man ihre Ansprüche kennt: "Ich möchte ein Idol wie Birgit Prinz und Zinédine Zidane werden", erklärt Anonma. Ihr Trainer schwärmt schon jetzt für sie: "Von dieser Art kennt man kaum jemanden. Sie macht Tore und kämpft immer nach hinten."
Verordnete Zwangspause
Der für seine Härte berüchtigte Schröder macht Anonma lediglich einen Vorwurf, den man selten von ihm hört: "Sie muss lernen, dass man sich nicht nur verausgaben kann." Am Donnerstagabend verordnete er ihr deshalb eine Ruhepause.
Den 7:0-Auswärtserfolg in der Champions Leauge bei Glasgow City durfte sie von der Bank aus verfolgen. Schließlich war die Achtelfinalpaarung nach dem Hinspiel (10:0) schon geklärt.
Schröder scheint seine Musterschülerin gefunden zu haben. Anonma sagt: "Er mag mich und das gefällt mir und motiviert mich in meinem Spiel." Ein Einzelgespräch habe es zwischen den beiden zwar noch nie gegeben, erzählt Anonma. Anweisungen habe sie immer nur im Kreise ihrer Mitspielerinnen erhalten.
Im Alleingang
Aber sie spürt sein Wohlwollen. Anonma braucht nicht viel. Sie erblüht auch unter kargen Bedingungen. Das hat sie bereits bewiesen, als sie im Alter von 19 Jahren ihr Heimatland in Richtung Jena verließ und dort das Team quasi im Alleingang in der Liga hielt. Und sie kann auch einiges aushalten.
Selbst von den in den letzten Jahren erhobenen, extrem verletzenden Anschuldigungen, sie sei in Wirklichkeit ein Mann, ließ sie sich nicht aus der Bahn werfen. Anonma und zwei weitere Spielerinnen wurden von der afrikanischen Konkurrenz Äquatorialguineas mit diesem Vorwurf belastet. Augenscheinlich deutet nichts darauf hin. Und andere Indizien für diese These wurden nie vorgelegt.
Das Gerücht sorgte selbst vor der WM in diesem Sommer noch einmal für Wirbel. "Am Anfang" sagt Anonma mit sich deutlich verhärtenden Gesichtszügen, "hat mich das sehr verstört. Mit Hilfe von Freunden bin ich dann nach und nach damit klargekommen."
Lähmende Kälte
Nur an einem Punkt ist Anonma trotz ihrer Anpassungsfähigkeit resistent geblieben: Der Winter macht ihr zu schaffen. Sie erklärt: "Ich ertrage die Kälte nicht." In Jena habe sie in dieser Zeit das Tor immer weniger getroffen.
Aber dieses Jahr kann sie beruhigt in den Winter gehen. Lediglich ein Tor fehlt ihr noch, um die von ihr angestrebte Marke von 15 Saisontreffern zu erreichen. Und am Sonntag sind in Frankfurt noch einmal zweistellige Temperaturen angesagt.
11 Nov 2011
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