taz.de -- Kommentar NPD-Verbot: Das ist ein Ablenkungsmanöver
Ein NPD-Verbot soll die öffentliche Auseinandersetzung mit den offenkundig gewordenen Schwachstellen staatlicher Institutionen vernebeln.
Es gibt gute Argumente für ein Verbot der NPD, und es gibt einige gute Argumente dagegen. Vieles spricht dafür, die Diskussion darüber erneut zu führen. Aber nicht im Zusammenhang mit der Serie rechtsextremistischer Morde in Deutschland und dem Versagen staatlicher Stellen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Der Verdacht liegt nahe, dass die neue Debatte über ein NPD-Verbot ein Ablenkungsmanöver sein soll, das die öffentliche Auseinandersetzung mit den Schwachstellen staatlicher Institutionen vernebelt, die in den letzten Tagen offenkundig geworden sind. Ein uraltes Klischee wird dabei bedient: dass nämlich nur mehr verboten werden müsste, um Verbrechen zu verhindern und alle Arten anderer Übel zu beseitigen. Dem ist nicht so. Mord ist bereits jetzt strafbar, und Sprengstoffanschläge sind es ebenfalls. Um solche Taten aufzuklären, bedarf es keines Parteienverbots. Es wird auch nicht gebraucht, um Leute aufzuspüren, die untergetaucht sind. Dafür reicht die Anwendung bestehender Gesetze. Man muss sie eben nur anwenden wollen.
Die pauschal erhobene Forderung nach besserem Datenabgleich zwischen verschiedenen Stellen geht ebenfalls an der Sache vorbei. Diese Forderung klingt so scheinbar einleuchtend und vernünftig, dass man schon genau hinsehen muss, um die Fallstricke zu erkennen. Der Verfassungsschutz befasst sich bekanntlich mit zahlreichen Themen, die zunächst gar nichts mit Straftatbeständen zu tun haben: Überzeugungen, Bündnisse, Organisationsstrukturen. Solange nicht der Verdacht auf konkrete Straftaten besteht, geht das die Polizei nichts an. Hätte sie grundsätzlich Zugang zu allen Erkenntnissen des Verfassungsschutzes, dann öffnete dies tatsächlich die Tür zu einem Überwachungsstaat. Anders sieht es mit der Frage aus, ob der Datenaustausch zwischen den Landesämtern für Verfassungsschutz verbessert werden muss. Solange dies nicht der Fall ist, so lange scheinen die Erkenntnisse der einzelnen Dienste allenfalls der Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu dienen.
Ohnehin verstärkt sich der Eindruck, dass der Verfassungsschutz im Hinblick auf Rechtsextremisten vor allem damit beschäftigt war, mittels Honoraren für V-Leute die Organisationen zu finanzieren, die er eigentlich überwachen sollte. Das ist für die Demokratie bedrohlicher, als es der Rückzug von Verbindungsleuten aus der NPD wäre.
17 Nov 2011
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