taz.de -- Kommentar Occupy-Bewegung: Lernen von der Tea Party
Die Occupy-Bewegung wird sich neue Aktionsformen suchen müssen – der Winter kommt und die Polizei ist schon da. Aber schon jetzt hat sie viel erreicht.
Die Occupy-Bewegung in den USA und anderswo steht an einem Wendepunkt. Es ist verständlich, Räumungsbefehle nicht widerstandslos hinnehmen zu wollen. Aber es wäre fatal, würde sich die Bewegung in den nächsten Wochen im Versuch aufreiben, die Plätze zu verteidigen.
Denn erstens wird es Winter, und da sind Zeltstädte ohnehin keine geeignete Aktionsform. Zweitens verdrängen Auseinandersetzungen mit der Polizei das Anliegen der Bewegung aus den Schlagzeilen und erhöhen die Hemmschwelle, sich anzuschließen.
Schon jetzt hat die Bewegung viel erreicht: Sie hat die ungleiche Einkommensverteilung, ja, das alte linke Kernthema der Gerechtigkeit auf die oberen Plätze der politischen Tagesordnung der USA katapultiert. Sie hat die Banken und die "oberen 1 Prozent" ins Visier genommen, und diese Kritik, wenn auch diffus, ist auf große Resonanz gestoßen.
Viele meinen, dass das Referendum gegen die Antigewerkschaftsgesetze in Ohio ohne Occupy nicht gewonnen worden wäre. Jetzt gilt es, darauf aufzubauen, um wirklich politisch etwas zu verändern, ohne dabei an den eigenen Strukturen zu scheitern. Bislang wurden Forderungen und Aktionsideen in den "Asambleas" auf den besetzten Plätzen basisdemokratisch entschieden. Wenn es diese Plätze nicht mehr gibt - wer entscheidet? Wer schon einmal Teil einer Basisbewegung war, weiß, welche Zerreißprobe da bevorsteht.
Aber um etwas zu erreichen, braucht es steten Druck. Und dabei kann Occupy von der rechten Tea Party lernen. Über die würde heute niemand mehr sprechen, hätte sie ihre Ideen nicht in Einfluss innerhalb der Republikanischen Partei umgesetzt. Heute kontrollieren sie die Agenda des Kongresses. Es wäre ein Trauerspiel, wenn die 99 Prozent weniger bewirken würden als die paar Radikalen von der Tea Party.
18 Nov 2011
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