taz.de -- Freiwillig Energie sparen: Deutsche Klimapolitik festgefahren
Europa will künftig Energie einsparen – doch die deutsche Regierung zerschießt die Pläne von EU-Kommissar Oettinger. Auch bei der Gebäudesanierung gibt es keine Einigung.
BERLIN taz | Der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) versteht seine Kollegen in Deutschland nicht mehr: Ausgerechnet die Regierung daheim zerschießt ihm momentan seine Pläne, wie die Staatengemeinschaft künftig Energie einsparen soll. Und das, obwohl die Ziele von Bundeskanzlerin Angela Merkel 2007 ausgehandelt wurden.
"Es wäre ein interessanter Prozess, wenn Deutschland eine Blockademinderheit organisieren würde gegen den Plan seiner eigenen Präsidentschaft", sagte Oettinger am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.
Bis 2020 will die EU 20 Prozent weniger Energie verbrauchen. Das soll vor allem über mehr Effizienz erreicht werden. Oettingers Vorschlag lautet: Energiekonzerne sollen verpflichtet werden, ihren Kunden jährlich 1,5 Prozent weniger Strom zu verkaufen – und gemeinsam Maßnahmen und Finanzierungsmodelle erarbeiten, wie das Ziel, etwa durch Sanierungen, erreicht werden kann.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt die EU-Verpflichtung ab. Er setzt auf freiwillige Maßnahmen – die in der Vergangenheit nicht fruchteten. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) steht hinter Oettingers Plänen. Meldungen, Rösler und Röttgen hätten sich geeinigt, dementierte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch. Eine Sprecherin nannte das EU-Einsparziel "Planwirtschaft". Am Donnerstag beraten die EU-Energieminister die Pläne in Brüssel.
Auch in einem anderen Bereich gibt es keine Einigung: Als eine der wichtigsten und zugleich günstigsten Maßnahmen zur Einsparung von CO2 gilt die Sanierung von Gebäuden. Das wollte der Bund eigentlich mit Steuererleichterungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro fördern. Doch blockieren einige – auch SPD-geführte – Bundesländer das Gesetz im Bundesrat. Am Dienstagabend konnte sich der Vermittlungsausschuss erneut nicht einigen.
23 Nov 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der asiatische Inselstaat verpasst seinem größten Wolkenkratzer eine energetische Sanierung für 2 Millionen US-Dollar. Experten von Siemens halfen beim Umbau.
EU-Kommissar Oettinger bereitet Szenarien für einen europäischen Energiefahrplan bis 2050 vor. Atomkraft und CO2-Einlagerung spielen beim Sparen eine wichtige Rolle.
Die Klimadiplomatie ist gescheitert. Die Europäer sollten umgehend neue Strategien zur Reduktion der Treibhausgase entwickeln – und Klimapolitik als "Politik" begreifen.
Der FDP-Minister will das Energieeinsparziel aufweichen. Ein verheerendes politisches Signal: Deutschland stellt sich gegen die Ziele, die es selbst erstritten hat.
Deutschland sagt ja zum Energiesparen - allerdings nur auf freiwilliger Basis. Das 20-Prozent-Ziel der EU-Kommission wird dafür einfach zugunsten der Industrie verdreht.
Einst von Merkel initiiert, droht die EU-Richtlinie für Energieeffizienz an der Bundesregierung zu scheitern, vor allem am Widerstand aus dem Rösler-Ministerium - ein fatales Signal.
Wirtschaftsminister Rösler lehnt die Verpflichtung zum Energiesparen ab, die EU-Kommissar Oettinger plant. Der Umweltminister begrüßt den Vorschlag.
Kritiker sprechen von "industrie- und energiepolitischem Unsinn". Mit der Forderung die Solarindustrie zu deckeln, versetzt Rösler die Branche in Unruhe - und die eigene Fraktion.