taz.de -- EU-Energiefahrplan bis 2050: Baut ein, zwei, viele Atomkraftwerke

EU-Kommissar Oettinger bereitet Szenarien für einen europäischen Energiefahrplan bis 2050 vor. Atomkraft und CO2-Einlagerung spielen beim Sparen eine wichtige Rolle.
Bild: Europa ist schön. Seine Landschaften urig, seine Atomkraftwerke weltberühmt. Wie in Dukovany/Tschechien.

BERLIN taz | Die EU-Kommission will in der kommenden Woche ihren Energiefahrplan bis 2050 vorlegen. In den Dokumenten, die der taz vorliegen, sind sieben Szenarien für die Entwicklung des Energieverbrauchs in der Union skizziert.

Atomkraftwerke spielen nach Ansicht der Kommission weiterhin "eine Schlüsselrolle", auch die umstrittene unterirdische CO2-Einlagerung (CCS) soll in den meisten Szenarien "signifikant" zu einer kohlendioxidarmen Energieversorgung beitragen. Der Energiefahrplan ist Teil des Plans der EU, den Treibhausgasausstoß bis 2050 um 80 Prozent zu senken.

Fünf der Szenarien gehen von einem signifikanten Neubau von Atomkraftwerken aus – die Süddeutsche Zeitung berichtet von 40 neuen Atomkraftwerken bis 2030. Anders sieht es lediglich dann aus, wenn entweder ein deutlich stärkerer Zubau der erneuerbaren Energien angenommen wird oder die CCS-Technologie in großem Umfang zum Einsatz kommt.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) will den Energiefahrplan nicht als Forderung zum Ausbau der Atomkraft verstanden wissen: "Die EU-Kommission – und unsere Roadmap 2050 – ist in der Frage Atomkraft völlig neutral", sagte Oettinger der Financial Times Deutschland. "Der Energiemix ist Sache der Mitgliedsländer. Eines kommt aus allen Szenarien jedoch deutlich hervor: Der Anteil der Erneuerbaren muss deutlich steigen, um unsere Klimaziele zur erreichen."

Weiterhin erklärt Oettinger: "Alle Szenarien zeigen auch, dass wir sparsamer mit Energie umgehen müssen." Ein Seitenhieb auch auf die deutsche Regierung, da sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bislang gegen die Effizienzziele der EU sträubt.

Eine frühere Version des Energiefahrplans hatte weitere Ausbauziele der EU für erneuerbare Energien bis 2030 vorgeschlagen. Bislang existieren solche nur bis 2020. Diese Forderung ist aus dem Energiefahrplan jedoch herausgestrichen worden, kritisiert Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament.

"Oettinger zeigt sich als Lobbyist der alten Energiewirtschaft", sagte Harms der taz. "Die Erneuerbaren werden kleingeredet, und der Ausbau der Atomkraft geht von völlig unrealistischen Annahmen aus. Im vergangenen Jahrzehnt sind deutlich weniger Atomkraftwerke gebaut worden als gedacht, und die Kosten, etwa beim Bau eines Kraftwerks im finnischen Olkiluoto, sind massiv gestiegen."

9 Dec 2011

AUTOREN

Hanno Böck

ARTIKEL ZUM THEMA

Norwegen verklappt Klimagase: Mondlandung etwas anders

Im hohen Norden Europas wird mit viel Pomp eine Anlage eröffnet, die CO2 aus Kraftwerksabgasen filtert. Doch Oslo hat die Technik schon fast abgeschrieben.

CO2-Ausstoß sinkt deutschlandweit: Wetter schönt CO2-Bilanz

Die CO2-Emissionen sind 2011 gesunken – aber nur wegen des milden Winters. Die Klima-Ziele 2020 werden ohne weitere Maßnahmen verfehlt, warnt ein Regierungsberater.

Kommentar CCS-Technik: Heimsieg in Jänschwalde

Gegner von CCS argumentieren unter anderem, es handle sich um eine Alibitechnik, um die Energiewende zu verzögern. Dieses Argument ist richtig, aber auch sehr deutsch.

Freiwillig Energie sparen: Deutsche Klimapolitik festgefahren

Europa will künftig Energie einsparen – doch die deutsche Regierung zerschießt die Pläne von EU-Kommissar Oettinger. Auch bei der Gebäudesanierung gibt es keine Einigung.

Rösler und Röttgen uneins: Koalition streitet über Effizienz

Wirtschaftsminister Rösler lehnt die Verpflichtung zum Energiesparen ab, die EU-Kommissar Oettinger plant. Der Umweltminister begrüßt den Vorschlag.

EU-Kommissar Oettingers Energiefahrplan: "Handlanger der Atomlobby"

Wenn es nach EU-Kommissar Oettinger geht, wird die Atomkraft bis 2050 eine wichtige Rolle spielen. Doch die hohen Sicherheitskosten kann auch er nicht verleugnen.

Europäische Energiepolitik: EU will bei Ölimporten mitreden

Künftig sollen die Mitgliedstaaten nicht mehr allein über Pipelines oder Lieferabkommen verhandeln, fordert Energiekommissar Oettinger. "Einseitig", meinen die Grünen.

EU-Vorgaben zu Atommüll: Entsorgung von Entsorgungsproblemen

Die EU macht Druck: Bis 2015 müssen die Mitgliedstaaten Konzepte für Atommüll-Endlagerung vorlegen. Auch ein Export soll unter bestimmten Bedingungen möglich sein.