taz.de -- Verfassungsschützer beklagt Versäumnisse: Aktenvernichtung bei Nazi-Ermittlungen

Versäumnisse bei den Ermittlungen zur Nazi-Mordserie können womöglich nicht aufgeklärt werden, so der Verfassungsschutzchef. Denn die Akten werden nach fünf Jahren vernichtet.
Bild: Personenbezogene Akten müssen nach fünf Jahren vernichtet werden und dürfen nur in besonderen Fällen zehn Jahre lang aufbewahrt werden.

KÖLN afp | Nach der Neonazi-Mordserie werden mögliche Versäumnisse der Behörden bei den Ermittlungen womöglich nicht mehr aufzuklären sein. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger am Donnerstag unter Berufung auf Teilnehmer berichtete, räumte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Heinz Fromm, in der jüngsten Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ein, dass seine Behörde mögliche Versäumnisse im Bereich Rechtsterrorismus nicht vollständig aufarbeiten könne.

Der Grund sei, dass personenbezogene Akten laut Verfassungsschutz-Gesetz nach fünf Jahren vernichtet und nur in besonderen Fällen zehn Jahre lang aufbewahrt werden dürften.

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz muss nach Informationen der Zeitung gemäß Landesverfassungsschutz-Gesetz "spätestens nach fünf Jahren" prüfen, "ob Daten zu löschen sind". Ob das Amt noch alle Akten über das aus Thüringen stammende Terror-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besitzt, konnte eine Sprecherin dem Blatt nicht sagen.

Die aus Thüringen stammenden mutmaßlichen Rechtsextremen waren 1998 abgetaucht und hatten Ermittlern zufolge die Terror-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet. Die jahrelang unentdeckt gebliebene Zelle soll hinter einer bundesweiten Mordserie mit zehn Toten stecken.

Mundlos und Böhnhardt wurden am 4. November in Eisenach tot in ihrem Wohnmobil gefunden. Zschäpe stellte sich wenige Tage später der Polizei, sie sitzt ebenso in Untersuchungshaft wie der als Helfer der Zelle geltende Holger G.

24 Nov 2011

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