taz.de -- Kommentar zu Berlins Justizsenator: Es krabbelt was aus der Gruft

Derzeit erlebt Berlin eine unheimliche Wiedergeburt dessen, was schon einmal zum Kollaps einer Großen Koalition geführt hat
Bild: Klappten den Rettungschirm ein: Regierungschef Müller (r.) und Finanzsenator Kollatz

Vampire sind gerade in. Doch was in Berlin derzeit aus der Gruft krabbelt, macht selbst dem größten Zwielicht-Fan Angst. Kaum dass eine Koalition aus SPD und CDU die Stadt zu regieren versucht, erleben wir eine unheimliche Wiedergeburt dessen, was schon einmal zum Kollaps einer großen Koalition führte. Ein in dubiose Immobiliengeschäfte verwickelter Politiker, der sein Verhalten ganz normal findet: Das alte Westberlin ist wieder da.

Es zeichnete sich schon bei der Benennung der SenatorInnen ab, dass die CDU unter Rot-Rot zwar viel zu meckern hatte, doch selbst wenig Neues aufbieten kann. Die christdemokratischen Bestimmer stammen immer noch aus den Hochburgen im Südwesten der Stadt. Wäre sonst jemand aus der alten Westberliner Landowsky-Garde wie Michael Braun für ein Senatorenamt in Frage gekommen?

Seit 1995 ist Braun Abgeordneter. Seine Westberliner Perspektive zeigte er unter anderem, als er 2003 gegen eine Ausstellung über den ehemaligen Berliner Stadtkommandanten und Berliner Ehrenbürger Nikolai Bersarin Sturm lief, die im Abgeordnetenhaus gezeigt werden sollte. Dass in Brauns Presseerklärung dazu von "den vielen zu Unrecht vergewaltigten Frauen" der Nachkriegszeit die Rede war, stieß damals übrigens niemandem auf und wurde bis heute nicht einmal als Freudscher Versprecher wahrgenommen.

Aber auch das passt nicht zu einem Berlin, das sich in den vergangenen zehn Jahren doch geöffnet, modernisiert und sensibilisiert zu haben schien. Die CDU tue die Spendenaffäre um den damaligen Fraktionschef Klaus Landowsky als "Kavaliersdelikt" ab, hatte der damalige SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit 2001 gesagt. Offenbar werden wir uns an Kavaliersdelikte wieder gewöhnen müssen.

5 Dec 2011

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Alke Wierth
Alke Wierth

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