taz.de -- Japanische Babynahrung kontaminiert: Radioaktives Cäsium im Milchpulver

400.000 Packungen japanischen Milchpulvers sind verstrahlt. Der Hersteller rief das Produkt zurück. Die Regierung plant als Reaktion die Senkung der Grenzwerte für Babynahrung.
Bild: Milchpulver: für die Kleinen nur das Beste.

TOKIO afp/dpa/dapd | In japanischem Milchpulver für Babynahrung sind erstmals Spuren von radioaktivem Cäsium-134 und Cäsium-137 entdeckt worden, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag mitteilte.

Der Hersteller Meiji rief am Dienstag 400.000 Packungen Milchpulver vorsichtshalber zurück. In Proben sei eine radioaktive Belastung von bis zu 31 Becquerel pro Kilogramm gemessen worden. Sie liegen damit deutlich unter dem von der Regierung festgesetzten Grenzwert von 200 Becquerel.

Der Hersteller erklärte, vermutlich sei die verwendete Kuhmilch während des Trocknungsprozesses in einem Werk, das rund 200 Kilometer vom havarierten Atomkraftwerk Fukushima entfernt liegt, radioaktiv verseucht worden. Wie das Isotop in das Milchpulver gelangte, sei noch unklar.

Angesichts der besonderen Gefährdung von Babys durch Strahlen plant die Regierung, neue Grenzwerte für Babynahrung festzusetzen. Das Isotop in dem Meiji-Milchpulver wurde in Dosen gefunden, deren Verfallsdaten auf den 4., 21., 22. und 24. Oktober des kommenden Jahres lauten.

Dekontaminierung der Sperrzone

Derweil beginnt das japanische Militär an diesem Mittwoch mit Dekontaminierungsarbeiten in der 20-Kilometer-Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Das Kabinett billigte am Dienstag dafür den Einsatz von rund 900 Soldaten der Selbstverteidigungsstreitkräfte.

Sie sollen in vier Orten in der Provinz Fukushima öffentliche Gebäude von radioaktiven Strahlen reinigen. Die Gebäude in den Ortschaften Namie, Naraha, Tomioka und Iitate sollen als Stützpunkte für eine großangelegte Dekontaminierung verstrahlter Gebiete dienen, die die Regierung im Januar beginnen will. Der Einsatz der Streitkräfte ist auf etwa zwei Wochen angelegt.

Bereits am Sonntag wurde bekannt, dass rund 45 Tonnen hochradioaktives Wasser aus einem Filtersystem im havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima ausgelaufen sind. Ein Teil des kontaminierten Wassers sei möglicherweise ins Meer gelaufen, teilte die Betreibergesellschaft Tepco mit.

Die Radioaktivität des kontaminierten Wassers wurde für Cäsium-134 mit 16.000 Becquerel pro Liter und für Cäsium-137 mit 29.000 Becquerel pro Liter gemessen, so Tepco. Nach Informationen des Bürger-Atom-Informationszentrums in Tokio wurde damit der von der Regierung festgelegte Grenzwert um das 270-fache und das 322-fache überschritten.

6 Dec 2011

TAGS

Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Fukushima-Zwischenbericht: Tepco hat komplett versagt

Mangelhafte Kommunikation und ein unkoordiniertes Vorgehen. Der Zwischenbericht zum Super-GAU in Fukushima fällt für den Betreiber Tepco und die Regierung verheerend aus.

Demontage nach Super-GAU: Fukushima-Abriss dauert 40 Jahre

In zwei Jahren soll in Fukushima mit der Bergung der radioaktiven Brennstäbe begonnen werden. Der komplette Abriss des zerstörten japanischen Atomkraftwerks dauert Jahrzehnte.

Atomkatastrophe in Japan: "Es gibt jede Menge Tricks"

Ein Undercover-Reporter deckt Sicherheitslücken bei den Aufräumarbeiten in der Atomanlage in Fukushima auf. Betreiber Tepco spart an allen Ecken und Enden.

Havariertes AKW Fukushima: Radioaktives Wasser ins Meer gelaufen

Etwa 300 Liter radioaktiv verseuchtes Wasser sind aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima ins Meer gelangt. Sandsäcke sollen ein weiteres Auslaufen verhindern.

Strahlenbelastung nach Fukushima: "Im besten Fall ist es Inkompetenz"

Wie hoch ist die Strahlung in Japan nach Fukushima? Welchen Daten kann man trauen? Ein Gespräch mit einem Kartendesigner über schlechte Grafiken und unsinnige Mittelwerte.

Japan weitet Stresstests auf: Auch Zwischenlager werden geprüft

Die derzeit für 54 japanische Atomkraftwerke angeordnete Sicherheitsüberprüfung wird auf andere Nuklearanlagen ausgeweitet. Die EU überprüft weiterhin Lebensmittel aus Japan.

Fragwürdige Säuglingsnahrung: Nur "nach dem Vorbild" der Natur

Muttermilchersatznahrung ist nicht so gut, wie die Hersteller das in der Werbung suggerieren. Zweifelhafte Gesundheitsversprechen rufen nun Kinderärzte auf den Plan.