taz.de -- Kommentar Ungarns Pleite: Absturz in die Armut
Die rechtsnationale Regierung hat den Karren in den Dreck gefahren. Will sie das Land nicht in die Armut stürzen, muss sie zu sämtlichen EU-Standards zurückkehren.
Ungarn ist auf dem Weg in die Staatspleite. Um dies zu erkennen, muss kein Investor besonders gut rechnen können. Denn Ungarn kann seine Anleihen nur noch loswerden, wenn es zehn Prozent Zinsen bietet. Unter dieser Last bricht jedes Land zusammen.
Ungarn zeigt, dass Vertrauen bares Geld wert ist - ja, dass Vertrauen die eigentliche Währung ist. Doch die rechtsnationale Regierung Orban hat jedes Vertrauen verspielt. In den eineinhalb Jahren ihrer Amtszeit hat sie nicht nur die demokratischen Grundrechte eingeschränkt, sondern ausländische Firmen mit einer Krisensteuer belastet und ausländischen Banken zugemutet, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.
Außerdem wurde die ungarische Rentenkasse geplündert und zuletzt die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank aufgehoben. Kein Wunder, dass die Investoren in einen Käuferstreik treten. Ohne frisches Geld aber ist Ungarn pleite, weil es seine alten Schulden nicht zahlen kann.
Was Orban offenbar nicht klar ist: Er hat sein Land nicht nur vorübergehend von den Kapitalmärkten abgeschnitten. Der Vertrauensverlust ist so enorm, dass Ungarn auf Jahre keine privaten Kredite mehr bekommen wird. Dies gilt für den Staat, die Firmen und die Bürger. Alle ausländischen Banken werden so schnell wie möglich Ungarn verlassen - und ihre dortigen Kredite notfalls abschreiben.
Ungarn war jedoch auf ausländische Darlehen angewiesen, um sein Wachstum zu finanzieren. Daher droht dem Land eine lange, schmerzhafte Krise. Wenn die Ungarn vermeiden wollen, dass sie in die Armut abstürzen, dann bleibt ihnen nur: Sie müssen sofort und überzeugend zu sämtlichen EU-Standards zurückkehren. Es wird jedenfalls nicht reichen, nur ein bisschen Unabhängigkeit für die Notenbank zu garantieren.
6 Jan 2012
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