taz.de -- Kommentar Ungarn: Der Csárdás-Berlusconi
Alle Schaltstellen besetzt, eine eigene Verfassung gestrickt: Trotzdem wird Ungarns Premier Viktor Orban erst stürzen, wenn die Ratingagenturen es wollen.
Silvio Berlusconi konnte sich mit seiner Bunga-Bunga-Politik zum Gespött Europas machen. Aber weder die Kollegen in der EU noch die Demonstrationen in den Straßen Italiens konnten den Cavaliere aus dem Gleichgewicht bringen. An den Kragen ging es ihm, als die Ratingagenturen und die Finanzmärkte ihr Urteil sprachen. Ein ähnliches Schicksal droht jetzt auch Ungarns Premier Viktor Orbán. Mit Prostituierten macht er keine Schlagzeilen.
Aber ausgestattet mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament hat er in anderthalb Jahren alle Schaltstellen der Macht mit seinen Leuten besetzt und sich eine Verfassung maßschneidern lassen.
Noch wurden keine Oppositionellen ins Gefängnis geworfen und keine Medien offener Zensur unterzogen. Die Gesetze sind größtenteils sogar EU-konform. Deswegen tut sich Orbán leicht, jede Kritik als ahnungslos wegzuwischen - für böse Absichten kann man niemanden bestrafen. Deswegen tut man sich in Brüssel so schwer mit Ungarn. Und die majoritäre EVP-Fraktion im EU-Parlament macht dem Kollegen in Budapest noch die Mauer. Auf starke Worte folgen dann knieweiche Taten, wie am Mittwoch in Kopenhagen.
Scharfe Sanktionen gegen Ungarn darf man sich auch nächste Woche nicht erwarten. Die politische Opposition ist noch zu wenig organisiert oder laboriert am selbst verschuldeten Prestigeverlust.
Orbán hat aber schon einen gewaltigen Gesichtsverlust erlitten, weil er den viel geschmähten IWF und die verteufelte EU neuerlich um frisches Geld anhauen muss. Die chaotische Wirtschaftspolitik - die Investoren vergrault und den Forint ins Trudeln gebracht hat - blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Finanzmarkt. Ob der Premier weitermachen kann oder von der eigenen Partei gestürzt wird, das wird offenbar von Fitch und Moodys entschieden.
11 Jan 2012
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