taz.de -- Debatte Iran und der Westen: Die Brandbeschleuniger

Der Konflikt zwischen Teheran und dem Westen kann jederzeit zu einem Krieg im Mittleren Osten führen. Die Folgen wären nicht kalkulierbar.
Bild: Die Beerdigung des iranischen Atomwissenschaftlers Mostafa Ahmadi Roshan geriet zu einer Massendemonstration.

Vor wenigen Tagen berichtete die New York Times, US-Präsident Barak Obama habe dem religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, über geheime Kanäle eine persönliche Warnung zukommen lassen: Sollte Iran die Straße von Hormus für die internationale Schifffahrt sperren, würden die USA die Durchfahrt gewaltsam erzwingen. Mit anderen Worten: Es gäbe Krieg.

Um seine Drohung zu unterstreichen, ist neben der sowieso in Bahrain stationierten 5. US-Flotte bereits der zweite Flugzeugträgerverband zusätzlich auf dem Weg zum Golf, und aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen heißt es, die US Army sei dabei, in Kuwait eine schnelle Eingreiftruppe zusammenzuziehen. Der kleine Bruder Großbritannien ist auch bereits wieder an Washingtons Seite und hat seinen modernsten Zerstörer an den Golf geschickt.

Damit nicht genug: Vergangene Woche explodierte in Teheran wieder ein Auto, in dem einer der am Atomprogramm des Iran beteiligten Chemiker saß. Er wurde, gemeinsam mit seinem Fahrer, durch eine vermutlich vom israelischen Geheimdienst Mossad angebrachte Bombe getötet.

Die Beerdigung von Mostafa Ahmadi Roshan geriet zu einer überaus emotionalen Massendemonstration, bei der die USA ebenso wie Israel scharf angegriffen wurden.

Teheraner Machtdemonstration

Schon zuvor hatte Iran selbstbewusst sein militärisches Potenzial zur Schau gestellt: Bei Übungen über die Dauer von zehn Tagen demonstrierten die Marine, die Schnellboote der Pasdaran, die Luftwaffe und die iranischen Raketenstreitkräfte, dass sie angeblich sofort in der Lage wären, die Meerenge am Ausgang des Persischen Golfs zu schließen und so ein Fünftel des gesamten weltweiten Ölnachschubs zu stoppen.

Alles verbale Drohgebärden, wie sie zwischen Teheran und diversen westlichen Hauptstädten seit Jahren zum schlechten Ton gehören, oder steckt dieses Mal mehr dahinter? Es spricht einiges dafür, dass in der jetzigen Situation aus verbaler Kraftmeierei schnell ein ernster militärischer Konflikt werden könnte. Denn es geht nicht nur um einen klar begrenzten Konflikt zwischen den USA und dem Regime in Teheran.

Iran liegt im Zentrum einer Region, in der sich die zunehmenden Spannungen jederzeit in blutigen Auseinandersetzungen entladen können, die alle das Zeug dazu haben, als Brandbeschleuniger in einem Großkonflikt zu dienen.

Dabei ziehen sich die Bruchlinien von Afghanistan bis zum Mittelmeer. In Afghanistan dreht sich seit Beginn dieses Jahres alles darum, wie die USA und ihre verbündeten Nato-Truppen es schaffen können, innerhalb von zwei Jahren aus dem Land zu kommen, ohne dort ein völliges Chaos zu hinterlassen. Denkbar ist dies nur, wenn Pakistan diesen Prozess unterstützt, und danach sieht es überhaupt nicht aus.

Das Land steht kurz vor einem Militärputsch, was die US-Situation östlich des Iran deutlich verschlechtern würde. Zwar gehört der Iran bislang zur Anti-Taliban-Fraktion, doch für eine Politik nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" bieten Pakistan und Afghanistan in den kommenden Monaten den Hardlinern in Teheran ein weites Betätigungsfeld.

Sunniten gegen Schiiten

Viel brisanter aber ist die Situation an den westlichen und südlichen Grenzen des Iran. In Syrien kämpft das Regime von Präsident Baschar al-Assad ums Überleben. In geopolitischen Machtkonstellationen, völlig jenseits von Menschenrechts- oder Demokratiefragen, ist der Aufstand in Syrien eine sunnitische Rebellion gegen das aufs Engste mit Iran verbündete alawitische Assad-Regime. Die Herrscher in Teheran können Assad nicht fallen lassen, weil dann auch die Hisbollah, ihre schiitischen Verbündeten im Libanon, in Bedrängnis gerieten. Die Hisbollah aber sind die iranischen Fußtruppen gegen Israel.

Weil das so ist, verschärft sich auch im Irak gerade wieder der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in einem regional gefährlichen Ausmaß. Ermuntert durch Teheran, versucht die Regierung von al-Maliki, die Sunniten an die Wand zu drücken und gleichzeitig das Assad-Regime zu unterstützen.

Das alles ist für die amerikanischen Interessen in der Region höchst abträglich und ruft in Washington unweigerlich jene auf den Plan, die immer noch glauben, militärische Machtdemonstrationen könnten zu politischen Lösungen führen. Dass diese Leute in Israels derzeitiger Regierung einen zuverlässigen Verbündeten haben, macht die Situation für Obama nicht einfacher.

Die Einzigen, die derzeit versuchen, den Konflikt mit dem Iran - aus wohlverstandenem eigenem Interesse heraus - zu entschärfen, sind die Türken. Vor zehn Tagen reiste der türkische Außenminister nach Teheran, und letzte Woche erwiderte der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani den Besuch in Ankara.

Druck statt Verhandlungen

Intensiv bemüht sich die türkische Regierung, die Gespräche über das iranische Atomprogramm, das ja angeblich der Grund für all die Spannungen ist, wieder in Gang zu bringen. Allen Rückschlägen zum Trotz hofft Ankara, nach nunmehr einem Jahr Funkstille eine neue Gesprächsrunde zwischen dem Iran und der "5 plus 1"-Verhandlungsgruppe (Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland) initiieren zu können.

Teheran hat zugestimmt, nach Istanbul zu kommen; von der anderen Seite, die durch die EU-Außenbeauftragte Ashton koordiniert wird, ist bislang nichts zu hören. Stattdessen wollen sich die EU-Staaten bei einem Treffen der Außenminister am 23. Januar dem Ölembargo der USA gegen Iran anschließen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle findet, dass Teheran "offensichtlich auf Konfrontation setzt und das leider nicht ohne Folgen bleiben kann". Statt zu verhandeln, soll der Druck auf Teheran erhöht werden.

Die deutsche Politik war da schon einmal weiter, als sie gemeinsam mit Frankreich selbst der Regierung unter Präsident Bush Verhandlungen mit dem Iran abrang. Doch die Kriegsgefahr am Golf spielt in Deutschland keine Rolle mehr. Die politische Restenergie, die die Eurokrise noch übrig gelassen hat, wird stattdessen in der "Causa Christian Wulff" verpulvert.

16 Jan 2012

AUTOREN

Jürgen Gottschlich

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