taz.de -- Kommentar Syrien: Nun beginnt das Morden erst
In Syrien wird eine Eskalation der militärischen Auseinandersetzung eintreten. Die Syrer werden weiter demonstrieren, und sie werden dafür weiter mit dem Leben bezahlen.
Jetzt wird in Syrien genau das eintreten, was die Großmächte Russland und China mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat angeblich haben verhindern wollen: eine Eskalation der militärischen Auseinandersetzung im gesamten Land. Hinzu kommt eine verdeckte, aber dauerhafte Einmischung zahlreicher ausländischer Mächte in den syrischen Machtkampf. Das drohende Ausmaß von Bürgerkrieg und Blutvergießen in Syrien wird die Empörung über Russland und China weltweit befeuern. Zu Recht.
Die Haltung der Regierungen in Moskau und Peking verhöhnt den Sicherheitsrat und ist eine Schmach für die Staatengemeinschaft, die sich im 21. Jahrhundert die Achtung von Menschenrechten und Leben auf ihre politischen Fahnen geschrieben hat. Wenn der Sicherheitsrat sich nicht einmal darauf verständigen kann, das gnadenlose Abschlachten der Bürger eines Landes durch eine Diktatorenclique verbal zu verurteilen, dann hat er sich selbst überflüssig gemacht. Die verhinderte Resolution muss fortan als Beleg dafür gelten, dass dieses Gremium seine Daseinsberechtigung verspielt hat. Die Art der Zusammensetzung des Sicherheitsrats gehört ebenso abgeschafft wie das Vetorecht.
Russland und China haben alles dafür getan, eine politische Lösung für Syrien auf Dauer unmöglich zu machen. Nur die demonstrative internationale Ächtung der Mörderbande, die in Damaskus an der Macht ist, hätte zumindest die Chance darauf gewahrt, in Damaskus einen politischen Übergang unter Beteiligung arabischer Staaten zu ermöglichen. Dieser Ausweg ist vorerst verbaut. Die Assad-Clique wird unter Einsatz aller militärischen Mittel versuchen, so viele Bürger in Syrien wie möglich zu töten, um über Einschüchterung und physische Liquidierungen die Macht zu behalten. Die Konsequenz wird sein, dass die Opposition jetzt mehr als zuvor auf die militärische Karte, das heißt auf die Freie Syrische Armee, und auf Waffen- und Geldlieferungen aus dem Ausland setzen wird, um den Sturz des Regimes einzuleiten.
Die Syrer werden weiter demonstrieren, und sie werden dafür weiter mit dem Leben bezahlen. Das Gefühl, von der Welt im Stich gelassen worden zu sein, wird sie dabei begleiten. Die humane Geste des türkischen Außenministers, der allen Syrern, die vom Regime verfolgt werden, Schutz und Hilfe in seinem Land verspricht, kann das Versagen der internationalen Gemeinschaft nicht ausgleichen.
5 Feb 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Syriens Präsident Assad lässt seine Truppen weiter gegen die Opposition vorgehen. Derweil startet das für sein Veto im Sicherheitsrat kritisierte Russland eine diplomatische Offensive.
Die USA und Großbritannien schließen ihre Botschaften in Syrien, die Mitarbeiter verlassen das Land. Merkel und Sarkozy fordern eine Kontaktgruppe.
Bei Angriffen der syrischen Armee auf Homs sollen über 50 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Regierung macht "terroristische Banden" verantwortlich.
Ohne militärische Gegenwehr wird Assad nicht stürzen. Diese Position setzt sich in der Opposition mehr und mehr durch. Und sie ist Teil der Realität.
Moskau und Peking torpedieren einen Syrien-Beschluss, obwohl dieser einen militärischen Eingriff von außen explizit ausschließt.
In Homs starben bei einem Angriff mit Granaten 17 Menschen. Gerüchten zufolge will Präsident Assad die Stadt "zerstören". Russland weist Kritik an der Haltung im UN-Sicherheitsrat zurück.
Die Führung der Islamisten will ihre Zelte in Damaskus abbrechen. Der Chef der Hamas in Gaza geht auf Distanz zu Syriens Führung, damit er sich selbst nicht ins Abseits bringt.
Weltmänner und -frauen diskutieren über Großthemen der internationalen Politik. In München trifft sich die abgezockte Community der Super-Realisten.
Die Empörung über die Gewalt in Syrien entlädt sich: Von Canberra bis London verwüsteten Demonstranten die Vertretungen des Landes. Die UN kämpft mit Chinas und Russlands Blockadehaltung.
Die syrische Armee hat ihre Präsenz in der Protesthochburg Hama erhöht. Dort gab es im Jahr 1982 ein Massaker mit 10.000 Toten. Der UN-Sicherheitsrat arbeitet weiter an einer Resolution.