taz.de -- Lücke im Bundeshaushalt: Bundesbank kriegt Eurokrise
Der Überschuss der Bundesbank beträgt nur 643 Millionen, weil 4,1 Milliarden in die Risikovorsorge im Fall von Staatspleiten fließt. Das reißt Lücken im Bundeshaushalt.
BERLIN taz | Die Eurokrise kommt auch bei der Bundesbank an: Ihr Gewinn schrumpfte 2011 auf nur noch 643 Millionen Euro. 2010 hatte der Überschuss noch bei 2,2 Milliarden Euro gelegen.
Der Gewinn fiel dieses Mal so bescheiden aus, weil die Bundesbank ihre Risikovorsorge ausgebaut hat, um für mögliche Staatspleiten in der Eurozone gewappnet zu sein. Konkret: Die Bundesbank hat ihre „Rückstellungen für allgemeine Wagnisse“ um 4,1 auf 7,7 Milliarden Euro erhöht, um eventuelle Verluste abzufedern. 2010 hatte man nur 1,6 Milliarden beiseitegelegt.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann benannte vor allem zwei Gefahren, als er am Dienstag die Jahresbilanz der Bundesbank für 2011 vorstellte.
Da sei zum einen das „Staatsanleihekaufprogramm“ der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat inzwischen 219 Milliarden Euro in die Papiere von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien investiert, um die Zinsen dieser bedrohten Euro-Staaten zu senken. Sollte die EZB Verluste bei diesen Staatsanleihen einfahren, würde die Bundesbank mit 27 Prozent haften – was der deutschen Wirtschaftskraft in der Eurozone entspricht.
Ein zweites Risiko, so Weidmann, seien die „Refinanzierungskredite“: Die EZB hat die Banken mit billigem Geld geflutet. In zwei Runden haben sich die Institute rund 1 Billion Euro geliehen.
Im Gegenzug mussten die Banken zwar Sicherheiten hinterlegen, doch die EZB akzeptiert inzwischen sogar Ramschpapiere, weil die notleidenden Banken in Südeuropa sonst vom Geldstrom abgeschnitten wären.
Die EZB versucht zwar, sich gegen eventuelle Verluste zu schützen, indem sie hohe Abschläge vornimmt und die mangelhaften Sicherheiten aus Südeuropa nur zu einem Teil beleiht. Weidmann sieht dennoch einen „gestiegenen Risikogehalt“.
Zum Paradox der Rechnungslegung gehört, dass die Bundesbank derzeit durchaus Gewinne durch die Eurokrise erzielt. Ihre „Nettozinserträge“ stiegen 2011 auf 4,8 Milliarden Euro, nachdem sie 2010 nur 3,6 Milliarden betragen hatten.
Der Grund: Nicht nur war zwischenzeitlich der Leitzins gestiegen – es machte sich zudem bemerkbar, dass die EZB zur Bekämpfung der Eurokrise Staatsanleihen aufgekauft und zusätzliche Kredite an Banken vergeben hat. Diese Forderungen werfen jetzt Zinsen ab.
Da die Zinserträge also stiegen, kommt es trotz der Rückstellungen zum Gewinn von 643 Millionen. Ihn hat die Bundesbank nun an den Bundeshaushalt überwiesen. Dort entsteht dennoch eine Lücke, denn Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte für den Haushalt 2011 mit 2,5 Milliarden Euro gerechnet.
13 Mar 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
CDU, SPD, FDP und Grüne fordern als Antwort auf die Eurozonenkrise mehr Macht für Brüssel. Für ein „soziales Europa“ ist das genau falsch.
Der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, hält die Haushaltsplanung der Bundesregierung bis 2016 für fragwürdig. Die Neuverschuldung steigt diesjährig auf 34,8 Millionen Euro.
Finanzminister Schäuble könnte mehr sparen, sagt der Ökonom Rainer Kambeck. Im Verteidigungshaushalt und bei Subventionen sei noch was zu holen.
Wenn die Bundesbank vor „Verlusten“ warnt, ist das nicht nur sachlich falsch, sondern auch nicht ihr Job. Wäre sie eine normale Sparkasse, wäre sie überflüssig.
AktivistInnen aus Europa planen auf einer Konferenz gemeinsame Blockaden. Außerdem geht es um eine Großdemonstration gegen die derzeitige Krisenpolitik.
Die Eurozone will weitere Garantien aus Athen, sonst könnte es neue Finanzhilfen erst nach den Wahlen im April geben – zu spät. Der griechische Finanzminister ist entsetzt.
Als England im 17. Jahrhundert klamm war, erfand es die Banknote und wurde zur Weltmacht. Die Geschichte einer großen Zentralbank.
Muscheln, Münzen oder Papier: Alles kann Geld sein. Aber wie funktioniert das? Der Ökonom Joseph Huber erklärt, warum Banken ungehemmt Geld schaffen können.