taz.de -- EU-Gesetz für riskanten Finanzhandel: Zentrale für die Wett-, äh, Wertpapiere

Das Europaparlament beschließt strengere Regeln für den Handel mit den als besonders riskant geltenden Derivaten. Eine Meldepflicht soll bei der Regulierung helfen.
Bild: Das EU-Parlament verabschiedete eine strengere Verordnung zum spekulativen Finanzhandel.

BERLIN taz | Zwar hat die EU keine Ahnung, wie sie die aktuelle Schuldenkrise meistern kann – aber immerhin macht sie kleine Fortschritte bei der Bewältigung der vorausgegangenen Finanzkrise. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers hatten sich die Industriestaaten geschworen, die Finanzmärkte endlich besser zu regulieren.

Jetzt hat das Europaparlament eine Verordnung verabschiedet, die das zumindest für den Derivatehandel umsetzten soll. Derivate sind Wertpapiere, mit denen auf die Preisentwicklung etwa von Aktien, Devisen oder Rohstoffen gewettet werden kann. Sie dienen Unternehmen zur Absicherung gegen Preisschwankungen, aber häufiger werden sie zur bloßen Spekulation genutzt.

Da diese Geschäfte gerne auf Pump getätigt werden, können Fehlspekulationen selbst große Finanzfirmen zum Straucheln bringen. Das neue EU-Gesetz sieht eine Meldepflicht für alle Derivategeschäfte vor. Damit sollen die Aufsichtsbehörden einen Überblick erhalten. Zudem muss der Handel über eine zentrale Stelle laufen, bei der die Beteiligten Sicherheiten hinterlegen müssen.

Regel für Standardderivate

Sie soll etwa bei einem Zahlungsausfall einspringen und so Kettenreaktionen nach einer Pleite verhindern. Die Regel gilt nur für die wenig komplexen Standard-derivate. Doch wenigstens übt sie Druck aus, mehr Derivate zu standardisieren.

Für Markus Henn, Finanzmarktexperte der globalisierungskritischen Organisation Weed, ist die Verordnung problematisch: Sie hinterfrage nicht, ob Derivate wirtschaftlich sinnvoll und wünschenswert sind. „Es ist letztlich egal, ob jemand mit oder ohne Abwicklungsstelle ein Finanzprodukt kauft, das Schaden anrichten kann, wie zum Beispiel ein Zertifikat auf steigende Weizenpreise“, so Henn. „Das Clearing schützt höchstens den Anleger vor Ausfallrisiken, aber nicht die Bevölkerung vor steigenden Weizenpreisen.“

30 Mar 2012

AUTOREN

Nicola Liebert

ARTIKEL ZUM THEMA

Elektronischer Wertpapierhandel: Schnell, schneller, Schweizer Börse

Der Hochgeschwindigkeitshandel von Wertpapieren läuft an der Züricher Börse nun noch flotter als zuvor. Kritiker warnen vor den Gefahren.

Ökonomen Koo und Krugman: Finanzkrise mal unterhaltsam

Paul Krugman und Richard Koo gehören zu den einflussreichsten Ökonomen der Welt. Zur Finanzkrise gehen ihre Meinungen weit auseinander. Zur Freude der Zuschauer.

Kommentar Börsenfusion: Ein Monopol sorgt für Transparenz

Die verhinderte Fusion der Deutschen Börse mit der New Yorker Börse nutzt niemandem. Ein staatliches Börsenmonopol muss her, um die Risiken sichtbar zu machen.

Deutsch-amerikanische Fusion gescheitert: Kein europäisches Börsenmonopol

Wie erwartet lehnt die EU-Komission die Fusion der Deutschen Börse mit dem NYSE Euronext ab. Damit soll ein Monopol auf dem europäischen Derivatemarkt verhindert werden.

Bundestagsdebatte zu Finanzmarkt: Union will, dass Ratingagenturen haften

In einer Bundestagsdebatte zur Finanzmarktregulierung forderte der CDU-Abgeordnete Flosbach, dass Ratingagenturen deutlich mehr kontrolliert werden müssten.

Handel mit Derivaten: Vermindertes Risiko

Der unkontrollierte Handel mit Derivaten gilt als ein Hauptauslöser der Finanzkrise 2008. Die EU will diesen kontrollieren – doch die Londoner City bleibt ungeschoren.