taz.de -- Landgrabbing in Lateinamerika: El Dorado für Investoren

Der Gensoja-Anbau verzeichnet sagenhafte Wachstumsraten, aber er gefährdet die lokale Bevölkerung. Mit der steigenden Nachfrage wachsen auch die Begehrlichkeiten auf Land.
Bild: Unverändert lukrativ: Soja.

ASUNCIÓN taz | Noch hat das Land Grabbing in Lateinamerika nicht die Ausmaße wie in Asien und Afrika erreicht. Doch auch zwischen dem Rio Grande und Feuerland richten immer mehr Investoren ihre Begehrlichkeiten auf das Geschäft mit dem Land.

Zum Zucker- und Ethanolboom in Brasilien – um den es zuletzt etwas ruhiger wurde – wäre es ohne die Millionen aus den Finanzmärkten erst gar nicht gekommen. Und unverändert lukrativ ist Soja, beliebt als Futtermittel und Basis für Agrodiesel.

In riesigen Landstrichen Argentiniens, Brasiliens und Paraguays bestimmen die gelben Bohnen den Alltag der Menschen. 116 Millionen Tonnen wurden dort 2011 produziert, vor allem Gensoja.

In Paraguay machen Sojafelder bereits drei Viertel der gesamten Nutzfläche aus. Vor zwei Jahren wuchs hier die landwirtschaftliche Produktion um sagenhafte 50 Prozent – vor allem dank Soja. Hunderttausenden Kleinbauern droht durch das Vorrücken der Sojafront der Verlust ihrer Existenzgrundlage – sofern dies nicht schon geschehen ist. An den Straßenrändern vervielfachen sich die Landlosencamps.

Die „Brasiguayos“, brasilianische Farmer, treiben den hoch technisierten, exportorientierten Landbau voran, der mit teurem Saatgut, Dünger und Herbiziden arbeitet. Statt der vom linken Präsidenten Fernando Lugo angestrebten Agrarreform passiert genau das Gegenteil: Der paraguayische Chaco gilt als neues El Dorado für Investoren.

Exportiert wird Paraguays Soja immer noch zu zwei Dritteln nach Europa, aber zunehmend auch nach China und Indien. Auch die Profiteure haben sich globalisiert: Nicht nur brasilianische Agrounternehmen oder die Traditionsmultis Monsanto, Cargill, ADM oder Bunge profitieren von dem Boom, sondern auch Spekulanten, Pensionsfonds und andere Investoren aus Übersee.

Agrarfond der Deutschen Bank

So ist etwa der DWS, ein Agrarfonds der Deutschen Bank, am argentinischen Konzern Cresud beteiligt. Cresud wiederum besitzt Zehntausende Hektar Land in Paraguay, Brasilien, Uruguay und Bolivien.

Die Gensoja-Monokulturen sind für die Artenvielfalt und die Gesundheit der Landbevölkerung fatal: Wegen der wachsenden Resistenz von Unkraut gegen das Monsanto-Herbizid Roundup oder seine noch gefährlicheren chinesischen Imitate steigt der Einsatz von Pflanzengift. Tausende Kleinbauern werden buchstäblich vergiftet.

Die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat es dagegen schwer, Lebensmittel müssen zunehmend importiert werden. Doch auch in Argentinien und Paraguay eifern immer mehr Aktivisten der brasilianischen Landlosenbewegung MST nach, die auf selbstbestimmte Wiederaneignung und „Nahrungssouveränität“ setzt.

30 May 2012

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Gerhard Dilger

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