taz.de -- Atommülllager: Debatte auf Knopfdruck
Seit der Bundesumweltminister in der Asse zu Besuch war, nimmt die Diskussion über eine Räumung an Fahrt auf. Es scheinen sogar starre Parteigrenzen zu bröckeln.
HANNOVER taz | Mit seinem Besuch im Atommülllager Asse und dem Drücken eines roten Knopfes hat Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) nicht nur den Startschuss gegeben für Probebohrungen in eine erste Kammer mit radioaktiven Abfällen. Als Folge der Visite hat auch die Diskussion an Dynamik gewonnen: über politische und technische Aspekte einer Räumung des Bergwerks sowie über den Sinn der dekretierten Faktenerhebung im Vorfeld.
Dabei scheinen in Niedersachsen sogar starre Parteigrenzen zu bröckeln. So habe es am Montag im Umweltausschuss des Landtags eine „konstruktive“ Diskussion über einen 12-Punkte-Plan zur Asse gegeben, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Alle Beteiligten seien sich darüber einig, dass eine deutliche Beschleunigung bei der Sanierung notwendig sei.
Die FDP hatte bereits am Wochenende Zustimmung zu einer parteiübergreifenden Initiative der Grünen im Ausschuss signalisiert. „Wir fänden es gut, wenn das Schwarzer-Peter-Spiel zu Ende wäre und wir gemeinsam konstruktiv an einer guten Lösung für die Zukunft arbeiten könnten“, sagte der liberale Abgeordnete Björn Försterling.
Der 12-Punkte-Plan sieht Wenzel zufolge eine dauerhafte Unterstützung und eine wissenschaftliche Beratung der beim Landkreis Wolfenbüttel angesiedelten Asse-II-Begleitgruppe vor. Die Schritte zur Rückholung sollen möglichst parallel angegangen werden. Eine Präzisierung im Atomgesetz – „Lex Asse“ – soll bereits bis zum Sommer vorliegen und zwischen allen Beteiligten abgestimmt werden. Zudem müsse die Finanzierung der Rückholung langfristig durch Verpflichtungsermächtigungen gesichert werden.
Der Göttinger Chemiker Rolf Bertram hat unterdessen vorgeschlagen, die radioaktiven Abfälle zunächst umzulagern aus den vom Einstürzen und Volllaufen bedrohten Kammern der Asse in stabile und noch trockene Bereiche des Salzstocks. Dies könne den Zeitdruck bei der Rückholung verringern. Er habe diesen Vorschlag bereits dem Bundesumweltministerium übermittelt, sagte Bertram, der Mitglied einer Wissenschaftler-Gruppe ist, die den Prozess der Bergung fachlich begleitet.
Atomkraftgegner zweifeln weiter am Sinn der Probebohrungen. Zwar müssten die Verhältnisse in den einzelnen Hohlräumen analysiert werden, erklärt die Wolfenbütteler Atom-Ausstiegs-Gruppe. Dies müsse jedoch zeitgleich zur Räumung geschehen. Die aktuell betriebene Probebohrung verzögere die Räumung erheblich.
Aus Sicht des Koordinationskreises ist die vom Ministerium verordnete Faktenerhebung bislang eine „Blockade der Rückholung“ und „Hinterür zum Ausstieg aus der Rückholung“. Ein möglicher Erkenntnisgewinn stehe in keinem Vergleich zum Aufwand. Die Initiativen hätten daher „den Eindruck, dass die Faktenerhebung dazu dient, auf Zeit zu spielen und sich vor der praktischen Organisation der Räumung zu drücken“. Das relativiere Altmaiers symbolischem Knopfdruck, so Peter Dickel von der atomkraftkritischen Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad.
4 Jun 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Bundesregierung sagt zwar, sie wolle am Endlagerkonzept für Atommüll festhalten. Aber im neuen Atomgesetz findet sich davon kein Wort.
Forscher in Braunschweig entwickeln ein Programm, das die Eignung möglicher Atommüll-Endlagerstätten testen soll. Kritik kommt von Atomkraftgegnern.
Ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesamtes für Strahlenschutz hält die Rückholung des Atommülls aus der Asse für kaum möglich. Grüne und Linke sehen das anders und finden klare Worte.
In das bereits genehmigte nukleare Endlager fließt mehr Wasser als in die pannengeplagte Asse. Laut Experten ist das fatal für die Sicherheit in der Region.
Atommüll in Asse, dessen Herkunft und Eigenschaften in weiten Teilen nicht bekannt ist, soll mit Bohrungen erkundet werden. Das hat erstmal nicht geklappt.
Auf seiner Tour durch die Atommülllager im Land erreicht Niedersachsens Umweltminister Schacht Konrad. Anders als sein Amtsvorgänger versteht er mit Protest umzugehen.
Der niedersächsische Umweltminister Birkner (FDP) will Schacht Konrad als Atommüllendlager nutzen. Die Proteste gegen das genehmigte Lager dauern an.
„Super-Gau-Tweets“ überschwemmen das Twitterkonto des Umweltministers. Peter Altmaier bleibt ruhig und lehnt den Einsatz einer Blockadesoftware ab.
Altmaier wirkt glaubwürdig, wenn er erklärt, das Problem Asse nicht länger aussitzen zu wollen. Warme Worte allein reichen nicht aus. Jetzt muss der neue Minister liefern.
Um das marode Bergwerk Asse zu schließen, müssten alle verrosteten Atomfässer herausgeholt werden. Doch es gibt noch keine Maschinen, die das machen können.
Erst zu den Aktivisten, dann mit SPD-Chef Gabriel an den Bohrknopf: Bei seinem Besuch in der Asse kündigt Umweltminister Altmaier eine Beschleunigung des Verfahrens an.
Atomkraftkritiker werfen dem Betreiber des Atommülllagers vor, die Flutung des Bergwerks vorzubereiten. Das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz will davon nichts wissen.
Die Bergung der radioaktiven Fässer aus dem maroden Asse-Stollen verzögert sich. Ist eine gesetzliche Neuregelung die letzte Option? Nicht nur Umweltschützer sind skeptisch.