taz.de -- IStGH-Mitarbeiter festgenommen: Knast wegen der "Sicherheit Libyens"
Vier Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs sind in Libyen festgenommen worden. Bei Gefechten kamen im Südosten des Landes mindestens 17 Menschen ums Leben.
DEN HAAG/KAIRO afp/dpa | In Libyen sind vier Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) festgenommen worden. Die Angehörigen des Gerichts würden seit Donnerstag festgehalten, erklärte der IStGH am Samstag in Den Haag.
Hintergrund sind Vorwürfe gegen die Pflichtverteidigerin des Sohns des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi, Seif al-Islam, wie der libysche Vertreter bei dem Gericht, Ahmed al-Dschehani, der Nachrichtenagentur afp in Tripolis sagte. Diese werde des Versuchs beschuldigt, Seif al-Islam Dokumente zu übergeben, "die eine Gefahr für die Sicherheit Libyens darstellen".
Libyen und der Internationale Strafgerichtshof streiten seit Monaten über die Frage, wo Seif al-Islam vor Gericht gestellt werden soll. Gegen den 39-Jährigen liegt ein Haftbefehl des internationalen Gerichts wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des blutigen Bürgerkriegs vor dem Sturz seines Vaters vor. Die libysche Regierung will Seif al-Islam, der lange als möglicher Nachfolger Gaddafis galt, dagegen selbst den Prozess machen.
IStGH-Präsident Sang Hyun Song forderte am Samstag "die sofortige Freilassung aller gefangenen Mitarbeiter" seiner Institution. Das Gericht sei "sehr besorgt über die Frage der Sicherheit unserer Personalangehörigen und das Fehlen jeglichen Kontakts zu ihnen".
Das Gericht hatte die Australierin Melinda Taylor zur Pflichtverteidigerin von Seif al-Islam bestellt. Sie besuchte ihn in der Stadt Sintan, wo dieser seit seiner Festnahme im November festgehalten wird. Anfang April hatte der IStGH die sofortige Überstellung des Gaddafi-Sohns nach Den Haag verlangt.
Mindestens 17 Tote nach Gefechten
Bei Gefechten zwischen Milizen und Stammeskämpfern sind indes im Südosten Libyens mindestens 17 Menschen getötet worden. Kämpfer der schwarzafrikanischen Minderheit der Tabu hätten in Kufra ein Milizbüro angegriffen, berichtete die unabhängige libysche Agentur Solidarity Press am Sonntag. Unter den Toten seien 15 Stammeskämpfer und zwei Männer der (eigentlich aufgelösten) Miliz Bataillon Libyscher Schild.
Die auch mit Panzern geführten Gefechte hätten am Freitag begonnen. Vertreter der Sicherheitskräfte erklärten, die Feindseligkeiten seien mit einem Angriff auf einen Kontrollposten außerhalb Kufras eingeleitet worden. Die Stadt mit 40.000 Einwohnern war im Februar Schauplatz heftiger Gefechte zwischen den Tabu und dem arabischen Stamm der Swai gewesen.
10 Jun 2012
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Saif al-Islam al-Gaddafi soll die nationale Sicherheit gefährdet haben – wegen eines Kontakts mit dem internationalen Strafgerichtshof.
Die von der libyschen Justiz festgehaltene Delegation des Den Haager Strafgerichtshofs ist wieder in den Niederlanden. Der Strafprozess in Libyen wird jedoch fortgeführt.
Lösungen aus dem Nichts zaubern: Bei den ersten freien Wahlen seit 40 Jahren stehen die Wahlhelfer vor vielen Herausforderungen. Die EU-Beobachter halten sich zurück.
In Kleinstädten wie Sintan kämpfen Revolutionäre gegen Anhänger des alten Regimes. Der Regierung trauen sie nicht und wollen Saif al-Islam den Prozess machen.
Die Islamisten präsentieren sich auf einer Demonstration in Bengasi als Revolutionsgewinner. Die Bürger engagieren sich dagegen. Sie treffen sich per Facebook zur Gegendemo.
Ein libysches Militärgericht verurteilt 24 Söldner aus der Ukraine, Weißrussland und Russland zu harten Strafen. Sie sollen Raketen gegen Nato-Flugzeuge in Stellung gebracht haben.