taz.de -- EM-Gastgeber gegen Russland: So ist Polen noch lange nicht verloren

Es geht doch: Polen steigert sich in seinem zweiten Spiel deutlich und erreicht gegen Russland ein verdientes Unentschieden. In Warschau kam es zu Ausschreitungen.
Bild: Die Erlösung: Jakub Blaszczykowski nach seinem Ausgleichstor.

Das Spiel: In der ersten halben Stunde haben die Polen die besseren Chancen. Die beste vergibt nach einer Freistoßhereingabe Sebastian Boenisch, der mittlerweile bei der EM mehr Minuten gespielt hat, als in der gesamten Bundesligasaison für Werder Bremen.

Doch im Verlauf der ersten Halbzeit nisten sich die Russen immer mehr in der polnischen Hälfte ein. Und sie werden in Warschau mal wieder zum unbeliebten Lehrmeister. Dieses Mal in der Disziplin Freistoßschießen: Andrei Arschawin tritt an und weil der ebenfalls freistehende Teamkollege Ignaschewitsch ihm freundlichst den Vortritt lässt, erzielt Alan Dsagojew in der 37. Minute per Kopf sein bereits drittes Tor in diesem Turnier. Eine bittere Lektion für Boenisch und seine Kollegen. Einfacher hätten ihm es die Polen allerdings auch kaum machen können.

In der 57. Minute aber gelingt Jakub Blaszczykowski ein Treffer, auf den der Holländer Arjen Robben vermutlich schon ein Patent anmelden wollte. Von der rechten Seite zieht er nach innen und schießt den Ball mit seinem linken Fuß zum Ausgleich ins lange Eck. Danach will keiner der beiden Teams das letzte Risiko eingehen. Von nun an herrscht zumindest auf dem Platz in diesem hochemotionalen Duell eine Art Waffenstillstand. Womöglich liegt das aber auch nur an den fehlenden Kräften in diesem laufintensiven Spiel.

Der Moment des Spiels:Blaszczykowski hält mit einem spektakulären Linksschuss den Gastgeber im Turnier.

Spieler des Spiels: Andrei Arshawin führt glänzend Regie bei den Russen. Der flinke Dribbler profiliert sich in diesem Turnier als Vorbereiter. Jetzt, da die vielfach Enttäuschten nichts mehr von ihm erwarten, scheint er zu größter Form aufzulaufen.

Pfeife des Spiels: Polens Linksverteidiger Sebastian Boenisch. Er macht nicht nur wegen seiner vergebenen Torchance des Öfteren eine unglückliche Figur und bringt seinen Trainer Frantischek Smuda zur Weißglut. Das Problem: Smuda verfügt über keine ernsthaften Alternativen auf der Bank.

Die Schlussfolgerung: Trotz einer Leistungssteigerung nach dem missratenen Auftaktspiel gegen Griechenland kommen die Polen nur einen kleinen Schritt voran. Im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien hilft nun nur ein Sieg. Den Russen hingegen genügt gegen Griechenland ein Remis, um ins Viertelfinale einzuziehen.

Und sonst? Die Uefa meldet zu Beginn des Spiels aus dem Warschauer Nationalstadion eine „sensationelle Stimmung“, die Polizei mindestens elf Verletzte und über hundert Festnahmen bei den Ausschreitungen zwischen russischen und polnischen Fans in der Stadt – hier hatten laut dpa Hooligans versucht, durch einen Technik-Eingang in die Fanzone einzudringen und Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Die Russen warten mit einer martialisch aussehenden Fahne mit der Aufschrift „This is Russia“ auf. Nationales Gedöns auf beiden Seiten also. Ansonsten aber läuft das Spiel glatt über die Bühne. Kein Wunder eigentlich: Das Warschauer Nationalstadion wurde kurzerhand zu einem öffentlich zugänglichen Hochsicherheitstrakt hergerichtet.

12 Jun 2012

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Johannes Kopp
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