taz.de -- Einigung von Koalition und Opposition: Fiskalpakt kann kommen
Regierung und Opposition haben sich im Streit um den Fiskalpakt geeinigt. Zusätzlich soll eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden – notfalls auch nur in einem Teil der EU-Staaten.
BERLIN rtr | Bundesregierung und Opposition haben am Donnerstag den Weg für eine Ratifizierung des Fiskalpakts im Bundestag freigemacht. Bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt erzielten sie Einigung über einen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“, der nun kommenden Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden soll.
„Das ist ein wichtiges Paket, um wegzukommen von einer reinen Sparpolitik“, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach den Gesprächen. Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Bundesregierung habe sich „erheblich bewegt.“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier betonte, er werde seiner Fraktion nun eine Zustimmung zum Fiskalpakt empfehlen. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er sehe den Weg für den Fiskalpakt im Bundestag nun frei.
Die Einigung beinhaltet etwa die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa - notfalls auch mit einem kleineren Kreis von EU-Staaten. Die Grünen ließen die Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds und der von der EU-Kommission geforderten Bankenunion fallen. Özdemir betonte aber, dass die Regelung der Altschulden in der EU weiter auf der Tagesordnung bleibe.
Abstimmung am 29. Juni in Bundestag und Bundesrat
Kauder hatte sich ebenso wie Grünen-Fraktionchef Jürgen Trittin deshalb bereits vor dem Spitzengespräch sehr zuversichtlich geäußert, dass der Bundestag dem Fiskalpakt für eine straffere Haushaltsdisziplin wie geplant am 29. Juni zustimmen kann. Die Linkspartei kündigte nach dem Gespräch an, sie wollten im Bundestag weder dem Fiskalpakt noch dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM zustimmen.
Der Bundesrat will ebenfalls am 29. Juni in einer Sondersitzung grünes Licht für den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM geben, der zum 1. Juli in Kraft treten soll. Die Gesetze benötigen Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag wie Bundesrat. Die Regierung ist daher auf Stimmen der Opposition angewiesen.
21 Jun 2012
ARTIKEL ZUM THEMA
Die grünen Europaparlamentarier plädieren auf dem kleinen Parteitag dafür, gegen den Fiskalpakt zu stimmen. Am Ende unterliegen sie – knapp.
In der Eurokrise wirkt die Bundesregierung isoliert. Die Gespräche um eine Finanztransaktionssteuer sind gescheitert – nun könnte sie von einer „Koalition der Willigen“ realisiert werden.
Für die Steuer auf Börsengeschäfte hat die Bundesregierung einen Verbündeten: Österreich. Bei anderen EU-Staaten soll nun für eine Kooperation geworben werden.
Trotz Einigung von Koalition und Opposition kann der Fiskalpakt nicht wie geplant starten. Präsident Gauck will nicht unterschreiben, solange das Verfassungsgericht das Gesetz prüft.
Gegen die Dramatik der Krise wäre ein Mechanismus der gegenseitigen Haftung für europäische Schulden nötig. Doch in diesem Punkt sind SPD und Grüne feige.
Das Verfassungsgericht will sich auf mögliche Klagen gegen den ESM und den Fiskalpakt vorbereiten. Die Richter baten nun Bundespräsident Gauck, die Gesetze nicht zu unterschreiben.
Der SPD-Linke Klaus Barthel hält den Kompromiss mit Angela Merkel derzeit für nicht zustimmungsfähig. Er hofft auf Nachbesserungen.
Bundesregierung und Opposition sind sich einig: Bundestag und Bundesrat entscheiden Ende Juni über den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM.
Die Kanzlerin kann frohlocken: Zwar wurde die Entscheidung über den Fiskalpakt noch einmal vertagt, aber bei relevanten Punkten zeichnen sich Übereinstimmungen ab.