taz.de -- Kommentar Proteste in Spanien: Spardiktat führt zu Gewaltfantasie
Die Spanier müssen sparen, immer wieder gibt es Kürzungen. Es sind verzweifelte Gewaltfantasien, die nichts gutes verheißen. Der Unmut der Menschen wächst. Sie erleben Politik als Diktat.
Es hört nicht auf. Eine Kürzungswelle nach der anderen bricht über die Spanier herein. Und es betrifft immer die Gleichen: Die Menschen mit niedrigen Einkommen, diejenigen, die auf Sozialprogramme angewiesen sind, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Der Unmut wächst.
Seit über einem Jahr protestieren Woche für Woche Zehntausende, manchmal Hunderttausende. Gewerkschaften rufen zu Streiks und Protestmärschen auf, die Bewegung der Empörten mobilisiert zu riesigen Versammlungen auf öffentlichen Plätzen.
Gehört werden sie nicht. Die konservative Regierung zieht ihr Programm unbeirrt durch. Mit der Begründung, es gäbe keine Alternative in Zeiten der Krise, werden Banken gerettet und in Not geratene Wohnungseigentümer zwangsgeräumt. Der Sozialstaat wird zusammengekürzt, während private Schulen und Krankenhäuser weiterhin gefördert werden. Es geht um Ideologie, das wird immer deutlicher. Die Zahl derer, die ihren Glauben an die beiden großen Parteien und die Demokratie als solche verlieren, steigt.
Die Menschen erleben Politik als Diktat. Beim Empfang der Bergleute aus Nordspanien in Madrid forderten Zehntausende die Kumpels auf, beim „nächsten Besuch Dynamit“ mitzubringen.
Und auch die Guillotine kommt in Mode. Bei den Protesten gegen die Bankenrettung wurde sowohl in Madrid als auch in Barcelona ein Pappmodell des Instruments aus den Jahren des Terrors nach der Französischen Revolution mitgeführt. Die Drohung gilt den Bankern und denen, die sie auf Kosten der Bevölkerung retten.
Selbst in der größten Tageszeitung El País beantwortete eine der Starkolumnistinnen angesichts der unterschiedlichen Krisenpolitik der Regierungschefs Holland und Rajoy die Frage, was Frankreich und Spanien unterscheide: „Vor allem eines: die Guillotine, die rechtzeitig eingesetzt wurde.“ Es sind verzweifelte Gewaltfantasien, die nichts gutes verheißen.
11 Jul 2012
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