taz.de -- Türkische Gemeinde kritisiert Behörden: „Rassismus“ führte zu NSU-Pannen

Der Chef der Türkischen Gemeinde sagt, „institutionalisierter Rassismus“ habe für die Pannen bei den Ermittlungen zum NSU gesorgt. Als Konsequenz fordert er Politiker-Rücktritte.
Bild: Ermittelten die Polizisten in die falsche Richtung? Auch dieser Anschlag in Köln wird dem NSU zur Last gelegt.

KÖLN dapd | Nach Ansicht des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, ist für die Pannen bei den Ermittlungen zum NSU unter anderem „institutionalisierter Rassismus“ der Sicherheitsbehörden verantwortlich. Es stelle sich die Frage, wieso bei solchen Taten automatisch von innertürkischen oder innerkurdischen Angelegenheiten oder von organisierter Kriminalität ausgegangen werde, sagte Kolat.

Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund war im November 2011 aufgeflogen. Den Terroristen werden bundesweit zehn Morde zur Last gelegt. Über ein Jahrzehnt lebten und agierten sie im Untergrund. Kolat sagte weiter zur Arbeit des Verfassungsschutzes, die Sicherheit der Migranten in Deutschland sei „wahrscheinlich“ nicht gewährleistet. Die Sicherheitsbehörden würden stets von einem bestimmten Bild der Migranten ausgehen und dieses dann strukturiert weiterverfolgen, fügte er hinzu.

Kolat führte als Beispiel Bayern an. Dort sei nach Aussagen des ehemaligen Innenministers Günther Beckstein (CSU) in alle Richtungen ermittelt worden. Trotzdem wären 90 Prozent der eingesetzten Kräfte für die organisierte Kriminalität und andere Richtungen eingesetzt worden, sagte Kolat. „Nur sehr wenige haben in die Richtung der sogenannten Fremdenfeindlichkeit ermittelt.“

Kolat legte Beckstein „als Zeichen einer Anerkennung an die NSU-Opfer“ den Verzicht auf sein Landtagsmandat in Bayern nahe. Er müsse – wie auch andere Politiker, die damals zuständig waren – die Verantwortung übernehmen. Das sei das Mindeste, was man erwarten könne, sagte Kolat.

12 Jul 2012

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