taz.de -- Kommentar Wahlrecht: Mehr Demut wagen

Die Union missbraucht das Wahlrecht als Bühne für parteitaktische Spielchen. Das ist verstörend, geht es doch um das Herz der Demokratie.

Die Union hat allen Grund in Sachen Wahlrecht ein wenig bescheiden aufzutreten. Das [1][Bundesverfassungsgericht hat das schwarz-gelbe Gesetz in der Luft zerrissen]. Schwarz-Gelb hatte dieses Gesetz auf eigene Faust und ohne die Einigung mit SPD und Grünen zu suchen durchgeboxt. Es stimmt: Auch die SPD verfolgt beim Wahlgesetz eigenützige Ziele und präferiert eine Regelung, die ihr wahrscheinlich nutzt.

Aber das ist legitim, ebenso dass die Union das Gleiche versucht. Weniger legitim ist es indes, dass Union und FDP anstatt einen Kompromiss zu suchen auf ihre eigene Mehrheit und Macht gesetzt haben. Denn das Wahlgesetz berührt die Belange aller Parteien, ja das demokratische Verfahren im Kern. Das haben Union und FDP ignoriert. Das war schlechter parlamentarischer Stil. Und eben verfassungswidrig.

Der Eindruck, den die schwarz-gelbe Politik vermittelt, ist zudem verstörend. Wenn die Politik noch nicht mal ihre ureigenen Belange, die technisch schwierig, aber keineswegs unlösbar sind, unfallfrei in den Griff bekommt – wie soll sie es da mit echten Gegnern wie den Finanzmärkten aufnehmen können?

Doch die Union scheint sich halsstarrig zu weigern die Lektion zu lernen. Das zeigt die Ankündigung nun mit SPD und Grünen, nicht aber mit der Linkspartei ein neues verfassungskonformes Wahlgesetz auszuhandeln. Die Union schneidet die Linkspartei im parlamentarischen Betrieb wo es nur geht. Das mag man dumm, ideologisch borniert oder rückwärtsgewandt finden. Aber es ist etwas anderes, ob die Union die Linkspartei ausgrenzt, wenn es um Beschneidung oder Hartz IV geht oder um das Wahlrecht.

Denn das Wahlrecht ist die Basis der parlamentarischen Demokratie. Es ist falsch, es als Bühne für parteitaktische Spielchen zu missbrauchen. Die Union stände nach dem Fiakso ihres Wahlgesetzes mehr Einsicht und Demut gut an.

27 Jul 2012

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[1] /Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!98027/

AUTOREN

Stefan Reinecke

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