taz.de -- Syrien-Experte zu Annans Rücktritt: „Unterstützung, egal von wem“
Radwan Ziadeh, Sprecher des Syrian National Council, kennt die Lage in Syrien sehr genau. Im Interview spricht er über die Lösung des Konflikts außerhalb des Weltsicherheitsrates.
taz.de: Der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan ist zurückgetreten. Was ist Ihr Kommentar dazu?
Radwan Ziadeh: Er hätte das schon vorher tun sollen: Zurücktreten. Oder zumindest ein Wende in seiner Position vollziehen sollen.
In welche Richtung?
Er hätte stärkere Empfehlungen machen müssen. Und sagen müssen: Unser Friedensplan ist wegen dem Assad-Regime gescheitert. Leider hat er das nicht getan. Jetzt ist es Zeit, außerhalb des Weltsicherheitsrates zu agieren. Der Rücktritt von Annan ist das Eingeständnis, dass die Situation in Syrien sich schnell verändert.
Wer könnte auf Annan folgen?
Ich glaube nicht, dass es einen Nachfolger geben wird. Die UN kann vielleicht einen Entsandten schicken. Aber sie hat keinen Friedens-Plan. Das ist sehr weit von der syrischen Realität entfernt.
Sie wollen ein Vorgehen der internationalen Gemeinschaft ohne China und Russland und ohne den Weltsicherheitsrat?
Ja. Die internationale Gemeinschaft muss außerhalb des Weltsicherheitsrates handeln. Der Rahmen ist die Konferenz der „Friend of Syria“.
Was erwartet Ihre Gruppe, der SNC, von der Konferenz der „Friends of Syria“?
Dass sie Sicherheitszonen am Boden und ein Flugverbot durchsetzen. Eine No-Fly-Zone ist heute ein Zwang. Denn das Assad-Regime benutzt die Luftwaffe. Und zwar jeden Tag. Die meisten Zivilisten werden jetzt durch die Luftwaffe getötet. Das Flugverbot muss so schnell wie möglich implementiert werden. Ohne Weltsicherheitsrat.
Welche Erwartungen haben Ihre Landsleute in Syrien an die internationale Gemeinschaft?
Sie haben aufgegeben. Sie erwarten nichts mehr von der die internationalen Gemeinschaft. Sie werden das allein erledigen. Aber wenn wir Leben retten wollen, muss das jetzt geschehen. Die internationale Gemeinschaft hat dem Assad-Regime immer wieder Zeit gegeben. Jetzt sind Aktionen nötig.
Wie hat sich die Position der USA verändert?
Präsident Obama hat vor exakt vier Wochen eine Anordnung unterzeichnet, die verschiedenen Gruppen, insbesondere der CIA, Unterstützung für die syrische Opposition erlaubt. Und die es syrischen NGOs in den USA möglich macht, Geld für die „Free Syrian Army“ zu sammeln. Aber das ist nur eine kleinere Veränderung. In den USA ist Wahljahr, und das ist alles, was zählt. Wir brauchen eine sehr viel stärkere Verbindung der US-Politik zu der Situation in Syrien. Und die CIA muss sich engagieren.
Wie sind die deutschen Pläne?
Berlin wollte eine Lösung mit dem Weltsicherheitsrat haben. Wir kennen die deutsche Position zu Libyen und sie ist nicht grundsätzlich anders zu Syrien. Deswegen arbeiten wir, der SNC, vor allem mit den anderen Schlüsselländern zusammen: Frankreich, Großbritannien, Türkei und den USA.
Ich glaube nicht, dass Deutschland irgendeine militärische Aktion gegen das Assad-Regime außerhalb des Weltsicherheitsrates unterstützen würde. Und vielleicht nicht einmal mit dem Weltsicherheitsrat. Aber natürlich wird Deutschland eine wichtige Rolle bei dem Wiederaufbau und Wirtschaft nach dem Assad-Regime spielen. Und wir sprechen bereits mit dem Auswärtigen Amt in Berlin über die befreiten Zonen.
Wie stark sind die islamistischen Kämpfer?
Das sind Medienberichte. Wieviele mögen wir haben? Sechs. Sieben? Es gab dieselben Anschuldigungen in Libyen. Seit den Wahlen ist davon keine Rede mehr. Die internationale Gemeinschaft versteckt sich hinter dem Reden von Djihadisten und Islamisten. Und die Syrer suchen nach Unterstützung von egal wem. Denn von der internationalen Gemeinschaft bekommen sie nichts.
2 Aug 2012
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