taz.de -- Kommentar Schulverweigerer: Strafe macht Schule

Es scheint, alls wären die hohen Arrestzahlen Ergebnis eines Prozesses, der sich verselbstständigt hat. Und doch wird das Bußgeld als sinnvoll propagiert.
Bild: Eltern müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder zu Schule gehen, urteilt das Gericht.

Da werden zahlreiche Schüler eingesperrt, weil sie ein Bußgeld nicht zahlen können, und niemand bekommt es mit. Das Bußgeld ist mit 75 bis 125 Euro für Jugendliche unverhältnismäßig hoch. Angemessen wären, wenn man die Zahlkraft berücksichtigt, vielleicht fünf Euro.

Es kann sein, dass es einzelne Biografien gibt, in denen der Arrest ein heilsamer Schreck war. Darüber haben offenbar aber weder Schul noch Justizbehörde gesicherte Erkenntnisse. Den pädagogischen Sinn des Einsperrens mochte gestern keiner offensiv verteidigen. Als wären die hohen Arrestzahlen Ergebnis eines Prozesses, der sich verselbstständigt hat. Und doch wird das Bußgeld als sinnvoll propagiert, letztlich in Kauf nehmend, dass die Angst vor dem Arrest die Schüler zurück in die Schulen bringt.

Das gerade beendete Projekt, die Schüler abzuholen, war sinnvoller. Junge Menschen haben viele Gründe, warum sie nicht zur Schule gehen. Manchen Schülern fehlt schlicht die Perspektive. Der Senat muss sein Versprechen, dass jeder Schulabgänger einen Ausbildungsplatz bekommt, auch einlösen. Zum Beispiel durch den Ausbau der Produktionsschulen, die genau für diese Schüler konzipiert wurden.

Und wir brauchen eine Schule, die nicht ausgrenzt, die Kinder individuell fördert und so Zuversicht schafft.

6 Aug 2012

AUTOREN

Kaija Kutter

TAGS

Jugendamt

ARTIKEL ZUM THEMA

Schulverweigerung vor Gericht: Jugendamt für Schwänzer zuständig

Ein Gericht in Hamm hat den Eltern eines Schulschwänzers das Recht entzogen, dessen schulische Angelegenheiten zu regeln. Jetzt soll das Jugendamt eingreifen.

Härte gegen Schulverweigerer: Knast für Schulschwänzer

2011 hat der Senat 41 Schüler in Jugendarrest genommen, weil sie Bußgelder nicht zahlten. Schulsenator verschärft Richtlinie. Erfolgreiches Hilfsprojekt nicht verlängert.