taz.de -- Korruption in China: Der rote Geldadel
Der Prozess gegen Gu Kailai hat einen Einblick in das korrupte politische System Chinas gegeben. Viele in den oberen Ebenen der Partei haben Vermögen angehäuft.
PEKING taz | Noch 2004 warnte Xi Jinping, der designierte Parteichef: „Haltet eure Ehepartner, Kinder, Verwandte, Freunde und Mitarbeiter im Zaum und gelobt, nicht die Macht zur persönlichen Bereicherung zu nutzen!“ Im Juni berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg: Allein die Familie des künftigen chinesischen Staatsoberhaupts verfüge über ein Vermögen von rund 380 Millionen Dollar.
Dass die Parteigranden in China im Reichtum schwelgen, ihre Kinder auf Eliteschulen ins Ausland schicken und ihre Verwandten mit hohen Posten versehen, überrascht in China kaum jemand. Doch dass Mitglieder der Führungsspitze gigantische Summen ins Ausland transferieren, das empört die chinesische Öffentlichkeit dann doch.
Der Skandal um den einstigen Spitzenpolitiker Bo Xilai und seine Frau Gu Kailai, [1][die nun zum Tode verurteilt wurde], hat die chinesische Führung in die schwerste Krise seit 20 Jahren gestürzt. Durch diesen Fall erhält die breite chinesischen Öffentlichkeit Einblick in das korrupte System bis nach ganz oben.
In seinem Buch „Die Partei“ beschreibt der langjährige China-Korrespondent der Financial Times, Richard McGregor, dass sämtliche zwei Dutzend Mitglieder des Politbüros unter den 500 reichsten Chinesen gelistet sind. Das Hongkonger Magazin Dongxiang zitiert aus einer Umfrage der Kommunistischen Partei, aus der hervorgeht: Von den 204 Mitgliedern des Zentralkomitees der KP haben 91 Prozent Familienmitglieder, die im Ausland leben oder die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes besitzen.
Die Frau des Premiers handelt mit Schmuck
Auch die Familie des amtierenden Premierministers Wen Jiabao gehört dazu. Seine Frau Zhang Peili zählt zu den reichsten Frauen Chinas. Sie war Vizepräsidentin der chinesischen Juweliervereinigung und hatte lange Zeit als Einzige das Recht, mit Gold zu handeln. Zugleich war sie Chefin der größten Juwelierkette des Landes.
Dass so viele Angehörige der Parteiaristokratie in einflussreichen Posten sitzen und ungeheure Vermögen angehäuft haben, resultiert aus den guten Beziehungen von Kindheit an. Viele der heutigen Machthaber sind die Sprösslinge von einst einflussreichen Gründern der Kommunistischen Partei. Sie werden deswegen auch „Prinzlinge“ genannt. Bo Xilai etwa war der Sohn von Bo Yibo, einer der „acht Unsterblichen“ der Partei. Auch Xi Jinping stammt von einflussreichen Eltern ab. Sie alle sind in sogenannten Dayuans aufgewachsen, abgesperrte, schon damals luxuriöse Viertel im Westteil Pekings.
Mit der Dekadenz in den höchsten Parteispitzen wollte der noch amtierende Staatspräsident Hu Jintao eigentlich aufräumen. Zunächst wollte Hu die jährliche Klausurtagung der Parteispitze im Luxusbadeort Beidaihe abschaffen. 2003, als Präsident gerade im Amt, verfügte er, mit dieser Tradition zu brechen. Davon ist heute keine Rede mehr.
Im Gegenteil: Die Parteibonzen halten sich weiterhin ihre Villen an einem abgesperrten Strand. In diesem Sommer zog sich die chinesische Führung das erste Mal nach neun Jahren ganz offiziell wieder in den Badeort zurück. Es gibt ja auch einiges zu besprechen.
20 Aug 2012
LINKS
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
In China sind in den letzten fünf Jahren rund 660.000 KP-Kader der Korruption überführt worden. KP-Politiker sehen einen hohen Imageschaden für die Partei.
Wende im Skandal um den ehemaligen chinesischen Spitzenpolitiker Bo Xilai: Neben Korruption werden ihm nun auch Sexualdelikte vorgeworfen.
Der ehemalige Polizeichef von Chongdinq, Wang Lijun, ist zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er war der Vertraute von Bo Xilai, dem geschassten Hoffnungsträger der KP.
Zur Korruptionsbekämpfung sollen Unternehmen künftig Zahlungen an Regierungen öffentlich machen. Deutschland passen die Pläne aus Brüssel nicht.
Um seinen Hals zu retten, hatte Polizeichef Wang Lijun ausgepackt. Seine Enthüllungen brachten den Politstar Bo Xilai zu Fall. Jetzt wird er selbst vor Gericht gestellt.
Die Anhänger der Pekinger Regierung haben bei der Wahl in Hongkong knapp gewonnen. Patriotismus wird wohl trotzdem nicht an Schulen unterrichtet werden.
Ein schwerer Unfall leitet das Ende Hu Jintaos ein. Seine Vertrauten an der Spitze von Chinas KP gelten als verbraucht, korrupt und unmoralisch.
Chinas Zensoren versuchen die Skandale ihrer Kadersprösslinge zu vertuschen. Nicht einfach in Zeiten von Machtkämpfen. Ein Hoch auf den Parteitag.
Ein Unfall mit einem Luxusauto führt zur Degradierung eines hohen Politikers. Gefahren ist sein Sohn. Der Versuch, den Vorfall zu vertuschen, misslang.
Deutsche Korrespondenten in Peking beklagen die Verschärfung ihrer Arbeitsbedingungen. Sie bitten Merkel um Hilfe, die am Donnerstag nach China fliegt.
Gu Kailai, Frau des entmachteten chinesischen Spitzenpolitikers Bo Xilai, ist wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Eine Umwandlung in lebenslange Haft ist in zwei Jahren möglich.
Das laufende Verfahren in Stuttgart gegen zwei FDLR-Milizionäre ist juristisch neu für Deutschland. Es öffnet für Deutschland eine Tür zur Welt.
Die Repressalien gegen die tibetische Minderheit haben unter der maoistischen Regierung in Nepal zugenommen. Menschenrechtler fürchten wachsende autoritäre Tendenzen.
Der heikle Prozess gegen Gu Kailai, die Ehefrau des Spitzenkaders Bo Xilai, endet schon am ersten Tag. Ein Urteil gibt es noch nicht, aber am Schuldspruch besteht kein Zweifel.
Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen Gu Kailai, die Gattin des gestürzten Spitzenpolitikers Bo Xilai. Sie soll einen britischen Geschäftsmann vergiftet haben.
In China gibt es täglich hunderte Proteste. Weil sich die Demonstranten von staatlichen Medien schlecht informiert fühlen, organisieren sie sich im Netz.