taz.de -- US-Präsident droht Assad mit Militäreinsatz: Obamas „rote Linie“
Die „rote Linie“ wird überschritten, sobald Syrien einen Chemiewaffeneinsatz auch nur vorbereitet, sagt Barack Obama. Dann droht dem Assad-Regime ein US-Militärschlag.
BERLIN taz | Es war sicher nicht geplant, dass ausgerechnet die letzte Minute einer Pressekonferenz Barack Obamas im Weißen Haus Schlagzeilen machen würde. Nachdem sich der Präsident fast 20 Minuten lang zum US-Wahlkampf geäußert hatte, fragte ein Journalist, ob Obama sich den Einsatz des US-Militärs im Falle einer Benutzung chemischer Waffen durch Syrien vorstellen könnte.
Obama antwortete, das sei ein sehr ernstes Thema, man könne nicht zulassen, dass diese Waffen in die falschen Hände gerieten. „Wir haben dem Assad-Regime, aber auch den anderen involvierten Kräften sehr klargemacht, dass es für uns eine rote Linie ist, wenn wir beobachten, dass viele dieser Waffen umhertransportiert oder benutzt werden“, sagte Obama. „Das würde meine Rechnung verändern.“
Obama sagte, dass die USA eine Reihe von Plänen ausgearbeitet hätten, um sicherzustellen, dass mit den Waffen kein Unheil geschieht – inklusive Notfallpläne, die laut Pentagon-Angaben den Einsatz Zehntausender Soldaten erfordern würden. Aber der Präsident machte auch deutlich, dass sich die Position seiner Regierung bezüglich einer militärischen Intervention nicht geändert hat.
Erst Ende Juli hatte die Regierung in Damaskus gesagt, sie würde solche Waffen, „falls es sie gibt“, niemals gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, sondern ausschließlich zur Verteidigung gegen eine ausländische Militärintervention.
Die Sorge dominiert
Politisch war das seinerzeit als erstmaliges Eingeständnis Syriens gewertet worden, solche Waffen überhaupt zu besitzen. Auch Obamas Bemerkungen legen nicht nahe, dass die US-Regierung deren Einsatz im Kampf gegen die Rebellen für wahrscheinlich hält. Vielmehr scheint die Sorge zu dominieren, dass die syrische Regierung selbst nicht mehr in der Lage sein könnte, die über mehrere Standorte verteilten Kampfstoffe zu sichern. So beeilte sich ein Sprecher auch klarzustellen, man meine mit „Bewegung“ nicht Anstrengungen der syrischen Regierung, die Bestände zu sichern, sondern mögliche Versuche, die Waffen einzusetzen oder außer Landes zu bringen.
Von Wikileaks veröffentlichte Dokumente legen nahe, dass sich Syrien sowohl aus dem Iran als auch aus der Europäischen Union die Materialien für die Chemiewaffenproduktion beschafft hat – im Rahmen ganz legaler Handelsgeschäfte, denn die Grundstoffe der Kampfgifte sind auch für zivile Zwecke einsetzbare Materialien. Aus der US-Regierung heißt es, man beobachte die Bestände gemeinsam mit der Türkei und Jordanien.
Die US-Regierung hat bislang von jeglicher Drohung an das Assad-Regime abgesehen. Seit einem Jahr allerdings fordert sie Präsident Assad zum Rückzug auf. „Er hat die Botschaft nicht verstanden“, sagte Obama bei der Pressekonferenz am Dienstag.
21 Aug 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Barack Obama und Hillary Clinton warnen Baschar Assad vor dem Einsatz von Chemiewaffen. Syriens Außenminister zieht Parallelen zu den Vorwürfen der USA vor dem Irak-Krieg.
Barack Obama trat 2008 als „Friedenskandidat“ an. Doch seine Außenpolitik unterscheidet sich kaum von der der letzten Bush-Jahre. Eine traurige Bilanz.
Am Dienstag startet der dreitägige Nominierungsparteitag der Demokraten. Für Präsident Obama und seinen Vize Joe Biden beginnt offiziell der Kampf um die zweite Amtszeit.
In Syrien wurden seit Beginn des Aufstands zehn Journalisten getötet. Jetzt werden drei weitere vermisst. Eine Miliz hat vermutlich zwei von ihnen entführt.
Der israelische Militärstratege Schlomo Brom hält die Bedrohung durch syrische Chemiewaffen nicht für eine akute Bedrohung. Nach einem Sturz Assads werde sich das aber ändern.
Der syrische Vizeregierungschef signalisiert Bereitschaft über einen Rücktritt Assads zu verhandeln. Gleichzeitig bezeichnet er Berichte über Chemiewaffen als Vorwand für Militäreinsatz.
Und wieder wird eine neue Runde internationale Scheindebatte gedreht. Dieses Mal: Obama droht mit Militärschlag. Dem Assad-Regime ist das egal.
Knapp 4.000 Armenier aus Syrien suchen Schutz vor dem Krieg in der Kaukasusrepublik. Die Menschen dort sind bitterarm, aber sie helfen, so gut sie können.
Die Opposition ist entsetzt über ein mögliches Spionageschiff vor der syrischen Küste. Der Regierung zufolge sind solche Schiffe seit Jahren routinemäßig in der Region.
Die schweren Kämpfe in Daraa halten an, ebenso in einigen Vororten Damaskus' und in Aleppo. Aus der Türkei werden jetzt Hilfsgüter auch in syrisches Gebiet gebracht.
Der syrische Präsident Assad zeigt sich erstmals seit über einem Monat in der Öffentlichkeit. Die Kämpfe im Land gehen derweil weiter und die Oppostion fordert erneut einer Flugverbotszone.