taz.de -- Wirtschaftshilfe für Syrien: Gruppentreffen in Berlin

Unter dem Vorsitz von Deutschland und der Arabischen Emirate trafen sich mehr als 50 Staatsvertreter, um über Hilfe für Syrien nach Assads Ende zu beraten.
Bild: Internationale Syrien-Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin: Schweigeminute für die Toten in Syrien.

BERLIN taz | Wie soll es in Syrien weitergehen? Für die Staatsvertreter aus aller Welt, die sich am Dienstag in Berlin zusammenfanden, war eines klar: Baschar al-Assads Tage sind gezählt.

Unter dem Titel „Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung“ berieten mehr als 50 Regierungsdelegationen zusammen mit ausgewählten syrischen Oppositionellen im Auswärtigen Amt darüber, wie Syriens Wirtschaft nach einem Ende des Regimes Assad wiederbelebt und reformiert werden kann. Auch über wirtschaftliche Soforthilfe wurde bis in den Abend hinein beraten.

„Syrien braucht eine Art Marshallplan“, forderte Abdelbaset Sieda, Vorsitzender des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), in Anspielung auf das US-amerikanische Wiederaufbauprogramm für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. „Die Aufgabe des Wiederaufbaus wird kostspielig und herausfordernd sein“, so Sieda weiter. Der SNC ist die derzeit wichtigste Gruppierung innerhalb der syrischen Opposition. Wer nach Assad eine Rolle spielen will, wird auch einen finanziellen Beweis seiner Regierungsfähigkeit nach Damaskus mitbringen wollen. Vertreter des Rates fordern marktwirtschaftliche Reformen des bislang weitgehend staatlich organisierten Wirtschaftssystems Syriens.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle erhöhte den diplomatischen Druck auf Assads Regime, indem er die Opposition aufrief, eine Übergangsregierung zu bilden. „Wir brauchen dringend eine gemeinsame Plattform aller oppositioneller Gruppen, die sich der Demokratie, der Toleranz und dem Pluralismus verschrieben haben“, sagte der FDP-Politiker. Vor einer Woche hatte der französische Präsident François Hollande bereits signalisiert, dass Frankreich eine Übergangsregierung der Opposition als Vertretung Syriens anerkennen würde.

Flugverbotszone gefordert

Unter den Vertretern der syrischen Opposition waren bei den Beratungen in Berlin auch der ehemalige Ölminister Abdou Husameddin und die ehemalige SNC-Sprecherin Bassma Kodmani vertreten, die für das Syrian Business Forum sprach, eine Gruppierung oppositioneller Geschäftsleute. Sie betonte, dass die sogenannten befreiten Zonen keinesfalls sicher seien, und forderte eine „Flugverbotszone oder sonstige Schutzmaßnahmen durch Militärflugzeuge“.

Mit Ayman Tabaa war zudem ein Beteiligter des „Day After“-Projekts an den Beratungen beteiligt. Etwa 45 Oppositionelle hatten in den vergangen sechs Monaten in Berlin einen politischen Strategieplan für die Zeit nach Assad erarbeitet. Nach den Vorstellungen der Beteiligten soll in Syrien ein demokratisches System etabliert werden. Die marktwirtschaftlichen Reformen, die nun im Rahmen der Arbeitsgruppe erarbeitet werden, würden das Land weiter westlichen Interessen zugänglich machen. Syrien war unter dem Präsidenten Hafis al-Assad lange Zeit wirtschaftlich isoliert. Sein Sohn leitete seit 2000 eine vorsichtige ökonomische Öffnung ein.

Das Treffen im Außenministerium fand im Rahmen der Bemühungen der „Freunde des syrischen Volkes“ statt, eines internationalen Zusammenschlusses von über 100 Staaten, der angesichts der Blockade des UN-Sicherheitsrats Lösungen für den Syrienkonflikt sucht. Im Februar war beschlossen worden, die „Arbeitsgruppe Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung“ zu gründen. Die Bundesregierung hat für sie in Berlin ein Sekretariat eingerichtet und die Anschubfinanzierung bis zu einem Betrag von 600.000 Euro für sechs Monate übernommen. Deutschland leitet die Arbeitsgruppe zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten.

4 Sep 2012

AUTOREN

Jannis Hagmann

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Bürgerkrieg in Syrien: Kämpfe in Aleppo und Idlib

Mit Anschlägen und Gefechten in mehreren Landesteilen steigt der Blutzoll des Krieges in Syrien weiter. Bald wird der UN-Sondergesandte in Damaskus erwartet.

Debatte Syrien: Der Sieg wird kommen

Der Damaszener Filmemacher Orwa Nyrabia verschwand vor 2 Wochen spurlos. Er war eine wichtige Stimme des Widerstands – er war „herzversorgt“.

Syrien-Konflikt: Die EU-Außenminister sind sauer

Frankreich und Italien sehen durch den Syrienkonflikt Europas Sicherheit gefährdet, sie wollen ein EU-Sondertreffen einberufen. Die EU will außerdem die Hilfe für Flüchtlinge aufstocken.

Putin und Assad: Ein Freund bleibt ein Freund

Putin mahnt Veränderungen in Syrien an, rückt aber von Machthaber Assad nicht ab. Dessen Truppen marschieren indes an der jordanischen Grenze vor.

Syrischer Oppositioneller Ayman Nour: Kein Berater Gottes

Ayman Abdel Nour beriet Präsident Assad und baute die Informationsplattform All4Syria auf. Heute betreibt er sie aus dem Exil.

Übergangsregierung für Syrien: Kritik an Westerwelles Plan

Syrien hofft auf deutsche Hilfe, sagt der Vorsitzende des Syrischen Nationalrats, Abdulbaset Sieda. Er warnt aber vor dem Konzept des Außenminsters.

Syrer auf der Flucht: Trauriger Rekord

Allein im Monat August verließen rund 100.000 Syrer das Bürgerkriegsland. Insgesamt sind nach Angaben der Vereinten Nationen knapp 235.000 Menschen geflohen.

Krieg in Syrien: Flüchtlinge dürfen nach Deutschland

Die Bundesregierung ist bereit, Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Vor Ort zu helfen, findet sie jedoch erst mal wichtiger. Die Opposition verlangt mehr Engagement.

Kommentar Kurdenkonflikt: Der türkische Alptraum

Statt in der Region eine Vormachtstellung einzunehmen, ist die Türkei hilflos. Der Konflikt mit der PKK könnte den Südosten in den Syrienkrieg hineinziehen.

Bürgerkrieg in Syrien: Schwere Kämpfe in Aleppo

Der Einsatz der Luftwaffe und die Gefechte in Aleppo treiben die Opferzahlen in die Höhe. Im gesamten August sind mehr als 5.000 Menschen getötet worden.

Bürgerkrieg spaltet Syrien: Gefährlicher Kontrollverlust

Präsident Assad verliert die Kontrolle über das Land. Das macht sein Regime umso unberechenbarer. Es betreibt die Spaltung der Bevölkerung.