taz.de -- Kommentar Fundamentalistische Brandstifter: Der Mechanismus der Gewalt

Erschreckend ist, wie Muslimfeinde mit wenig Geld ein Flächenbrand auslösen können. Es gibt leider keinen Weg das zu verhindern. Denn Zensur ist keine Lösung.

Der Mechanismus, mit dem radikale Muslime zu heftigen Protesten provoziert werden können, ist bekannt. Durch beleidigende Bilder oder Karikaturen über den Propheten Mohammed fühlen sich viele Menschen gedemütigt. [1][Sie stürmen die Botschaften] und verbrennen Flaggen der vermeintlich schuldigen Staaten aus dem Westen. Im Zweifel reagiert die Polizei. Blut, Tote und Verletzte sind die Folgen. Oder die Staatsmacht tut nichts. Dann beginnt eine Menschenjagd.

Es sind keine positiven Bilder der Anhänger einer Weltreligion, die in diesen Tagen um die Welt gehen. Sie laden dazu ein, Ressentiments gegen den Islam als eine vorgeblich gewalttätige Religion zu bestätigen. Genau darum scheint es aber den Urhebern jenes unsäglichen Videos namens „Unschuld der Muslime“ gegangen zu sein. Randalierende Salafisten sollen die These von der „Schuld der Muslime“ beweisen. Die Bilder dieser Tage sind für diese christlichen Fundamentalisten ein voller Erfolg.

Als Kurt Westergaard vor sieben Jahren seine umstrittenen Karikaturen Mohammeds zeichnete, da war sein Motiv gewiss nicht, damit einen Proteststurm in der islamischen Welt auszulösen. Heute aber scheinen die Urheber des Videos genau dies von Beginn an verfolgt zu haben. Um ihre Wirkmächtigkeit zu erhöhen, logen sie gar noch, der Filmemacher sei Israeli, seine Finanziers Juden und ein Unterstützer ägyptischer Christ – also im Weltbild radikaler Muslime gefährliche Gegner.

Es ist leider so: Muslimfeinde können heute mit dem Einsatz von ein paar Dollars, Wüstenwandtapeten und drittklassigen Schauspielern für gefährlichen Krawall in der islamischen Welt sorgen.

Das Furchtbare aber ist: Es gibt keinen einfachen Weg, um genau dies zu verhindern. Es ist nicht zu erwarten, dass in naher Zukunft von ihrer Religion motivierte Terroristen im arabischen Raum davon ablassen, Botschaften anzugreifen und Menschen zu ermorden.

Von der Säkularisierung ist diese Region noch weit entfernt. Genauso wenig können wir auf Einsicht unter muslimhassenden geistigen Brandstiftern im Westen hoffen. Sie werden weiter ihr Spiel treiben. Fatal aber wäre es, wegen der muslimischen Proteste eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Westen auch nur zu diskutieren. Denn auch die Publikation von Hassvideos gehört zur Freiheit.

14 Sep 2012

LINKS

[1] /Proteste-gegen-Schmaehvideo-im-Sudan/!101680/

AUTOREN

Klaus Hillenbrand

TAGS

Salafisten

ARTIKEL ZUM THEMA

Treffen der Extremisten: Salafisten narren Rechte

Salafisten locken ihre Gegner, die Rechtspopulisten von „Pro Deutschland“, nach Kreuzberg – und treffen sich dann in Neukölln.

Radikale Prediger im Libanon: Salafisten im Aufwind

Verunsicherte Sunniten wenden sich im Libanon zunehmend radikalen Predigern zu. Einer möchte nun eine Partei gründen und bei den Wahlen antreten.

Morddrohungen wegen Hassvideo: Kein Zugang zu Youtube

Al-Qaida droht wegen des Mohammed-Videos mit Attacken auf US-Diplomaten. Bei einem Anschlag in Kabul starben 12 Menschen. In mehreren Staaten wurde Youtube gesperrt.

Kommentar Hassvideo: Was den Anständigen bleibt

Die Rechtsaußen von Pro Deutschland wollen die Hassspirale weiter drehen. Die Bürgergesellschaft muss ihnen zeigen, dass sie nur ein „lächerlicher Haufen“ sind.

Botschaftssturm im Sudan: „Das war kein spontaner Protest“

Warum wurde die deutsche Botschaft in Khartum attackiert? Die Wut kommt der Regierung im Sudan nicht ungelegen, meint Politikwissenschaftlerin Annette Weber.

Video-Macher wird vernommen: Mit Mantel, Hut, Schal und Brille

Der mutmaßliche Urheber des Films „Die Unschuld der Muslime“ wird von der US-Polizei verhört. Er bereue nichts, teilte er am Freitag mit.

Reaktionen auf Schmäh-Video: Ein Angriff aus Rache

Beim Angriff auf ein Militärlager töteten afghanische Aufständige zwei Soldaten. Prinz Harry, der in dem Lager seinen Dienst absolviert, blieb unverletzt.

Islamisten gegen Westen: Botschaften unter Feuer

Wütende Demonstranten versuchen westliche Botschaften im Sudan, Ägypten und in Tunesien zu stürmen. An der deutschen Vertretung in Khartum legen sie Feuer.

Proteste gegen Schmähvideo im Sudan: Deutsche Botschaft gestürmt

Aufgebrachte Demonstranten stürmen die deutsche Botschaft im Sudan und legen angeblich Feuer. Demonstrationen gab es in vielen islamischen Staaten.

Reaktionen auf antimuslimischen Film: Tote bei Protesten im Jemen

Salafisten und Muslimbrüder sprechen sich gegen gewalttätige Demonstrationen aus. Gleichzeitig sind sie für Proteste gegen den Film.

Antiislamischer Film: Falsche Identitäten und Betrug

Die Herkunft des Videos, das die blutigen Angriffe auf US-Diplomaten auslöste, wird immer undurchsichtiger. Klarer wird, dass die Geschichte des Regisseurs eine Lüge ist.