taz.de -- Rechtliche Lage bei Blasphemie: Kein Schutz für Gott
Sind religionskritische Äußerungen wie die Vorführung des Schmäh-Videos rechtlich erlaubt? In Deutschland gilt: Es darf kritisiert werden, Religion zu beschimpfen ist strafbar.
FREIBURG taz | In Deutschland ist die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse strafbar, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Geregelt ist das in Paragraf 166 des Strafgesetzbuches. Dort ist eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe angedroht.
Anders als in Blasphemie-Gesetzen der vormodernen Zeit wird hier nicht Gott geschützt, sondern der öffentliche Frieden. Wer leicht erzürnbare muslimische Gläubige provoziert, macht sich also eher strafbar, als wer eine bedächtige evangelische Landeskirche herausfordert.
Der katholische Bischof Ludwig Schick hat deshalb vor wenigen Wochen gefordert, „jede Verspottung religiöser Werte und Gefühle“ unter Strafe zu stellen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde jedoch eher über die völlige Abschaffung des Paragrafen 166 gestritten. Anlass gaben Strafverfahren, die meist auf Betreiben der katholischen Kirche geführt wurden. So wurde ein Aufkleber mit einem durchgestrichenen Kruzifix und der Aufschrift „Masochismus ist heilbar“ als strafbar eingestuft.
Die bloße Kritik an Religionen dürfte in der Regel von der Meinungsfreiheit gedeckt sein und straflos bleiben. Ebenso die künstlerische Darstellung solcher Kritik. Die Grenze ist jeweils bei sogenannter Schmähkritik, wenn es nicht mehr um die Auseindersetzung in der Sache geht, sondern nur noch um die Diffamierung.
Die Polizei kann sowohl angekündigte Straftaten unterbinden als auch sonstige Gefahren abwehren. Wenn eine Filmvorführung, wie das in Berlin durch ProDeutschland [1][geplante Zeigen des Videos „Unschuld der Muslime“], mit hoher Wahrscheinlichkeit zu nicht anders abwendbaren Unruhen führen würde, könnte sie auch dann verboten werden, wenn man den Film nicht als strafbar ansieht.
17 Sep 2012
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