taz.de -- Regierung beugt sich Luftfahrtlobby: Steuerrabatte für Airlines verlängert

Entgegen der gesetzlichen Vorgabe, verzichtet die Regierung auf die Anhebung der Flugticketabgabe. Obwohl die Airlines keine Emissionszertifikate kaufen.
Bild: Es wird weiter ohne Emissionszertifikate geflogen.

BERLIN taz | Anders als im Gesetz ursprünglich vorgesehen, wird die Bundesregierung die Luftverkehrssteuer im nächsten Jahr nicht erhöhen. Die auch als Ticketabgabe bekannte Steuer, die ursprünglich acht Euro für eine Kurz-, 25 Euro für eine Mittel- und 45 Euro für eine Langstrecke betragen hatte, war im letzten Jahr abgesenkt worden, weil die Fluggesellschaften ab 2012 in den Emissionshandel einbezogen werden. Das erwies sich aber als voreilig – denn anders als erwartet mussten die Airlines bisher keine Emissionszertifikate erwerben.

Dennoch soll es nun bei den ermäßigten Steuersätzen von 7,50 bis 42,18 Euro bleiben, sagte Martin Kotthaus, Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Als Grund gab er an, dass es derzeit keine offizielle Datenbasis für mögliche Einnahmen aus dem Emissionshandel gebe. Diese würde sich aber in absehbarer Zeit einstellen – und bis dahin solle ein „Rauf und runter“ bei der Steuer vermieden werden. Ziel sei weiterhin, dass Ticketsteuer und Emissionshandel zusammen eine Milliarde Euro einbringen.

Tatsächlich dürfte jedoch der massive Druck der Airlines auf die Bundesregierung ausschlaggebend für den Verzicht auf die Anhebung gewesen sein. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft hatte wiederholt kritisiert, dass die Ticketabgabe den Wettbewerb verzerre. Auch in der Koalition hatte die 2010 beschlossene Abgabe von Anfang an viele Gegner.

Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus hält die Klagen der Luftfahrtbrache für unberechtigt. Die Branche sei 2011 trotz Ticketabgabe um 4,8 Prozent gewachsen, für 2012 werde ein weiteres Plus von 2,7 Prozent erwartet. Es sei ein „Konstruktionsfehler“ des Gesetzes, dass die Ticketsteuer bei steigenden Flugzahlen abgesenkt werden müsse, weil die Gesamteinnahmen bei einer Milliarde Euro gedeckelt seien. „Dieser perverse Wirkmechanismus gehört abgeschafft, indem der Deckel aus dem Gesetz gestrichen wird“, forderte Paus.

Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland kritisierte die Pläne. Die Steuersätze der Luftverkehrssteuer sollten von den Einnahmen aus dem Emissionshandel entkoppelt werden. Die Einnahmen aus der Steuer seien weit geringer als die Subventionen der Branche.

6 Nov 2012

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt
Malte Kreutzfeldt

TAGS

Fluglinie
Emissionshandel
EU
Bus
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Fluglinie

ARTIKEL ZUM THEMA

Brüsseler Emmissionshandel: Keine Klimaabgabe für die Luftfahrt

Nach Protesten gegen den Emissionhandel setzt die EU-Komission die Abgabe für die Luftfahrt vorerst aus. Experten sehen dies als Durchbruch.

Billig-Busreisen in Europa: Discountermobilität für Sparfüchse

Noch vor der Liberalisierung des Fernbusverkehrs gehen die ersten Billig-Buslinien an den Start. Selbst Bahnlobbyisten finden das okay.

Ausbau von Tegel: Lärmopfer sind dem Senat egal

Kurz vor seiner Schließung soll der Airport in Tegel noch einmal nachgerüstet werden.

Brüssel stärkt Passagier-Rechte: Bei Verspätung zahlt die Airline

Auf Fluglinien kommen Mehrkosten in Milliardenhöhe zu. Die obersten EU-Richter urteilten: Ab Verspätungen von drei Stunden wird eine Entschädigung gezahlt.

Chef von Ryanair fühlt sich unterbezahlt: „Ich ackere 50-mal so viel“

Michael O’Leary ist ein armer Chef. Er kassiert 1,2 Millionen Euro im Jahr, doch gemessen an seinem Einsatz für Ryanair sei das zu wenig, meint er.

Kommentar Tarifkonflikt Lufthansa: Der Sieg der Saftschubsen

Der Erfolg der Flugbegleiter bei der Lufthansa ist ein positives Signal. Auch die Kolleginnen bei Billigfluglinien könnten es gehört haben.

Washington gegen EU-Emissionshandel: Klimakrieg im Luftraum

Die USA verbieten ihren Fluglinien, sich an die europäischen Vorgaben zum CO2-Emissionshandel zu halten. 15 weitere Länder wollen folgen. Ärger ist vorprogrammiert.

Kommentar Emissionshandel für Fluglinien: Handelskrieg? Warum nicht!

Die EU soll ruhig einen Konflikt riskieren, wenn es um den Emissionshandel für Fluglinien geht. Bislang war man in der Klimapolitik ohnehin viel zu sanft.