taz.de -- Filmstart „Fraktus“ von Studio Braun: Nostalgie kennt keine Würde

Das Dadatrio Studio Braun erkundet mit seinem Klamaukfilm „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ die Anfänge des Techno.
Bild: Jacques Palminger als Bernd Wand in der Komödie „Fraktus“.

Die Mockumentary ist ein beschränktes Subgenre der Komödie, weil sie sich naturgemäß um einen einzigen Witz dreht. Die Kunst besteht darin, diesen Witz in schillernden Nuancen und mit möglichst absurden Anekdoten auszuschmücken. Außer einer Handvoll Spezialisten, die mit der Geschichte deutscher Popmusik zwischen den Jahren 1979 und 1982 vertraut sind, interessiert sich zunächst niemand für die Wiederentdeckung der „ersten deutschen Technoband“.

„Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ von Lars Jessen und dem Hamburger Gaga-Trio Studio Braun (Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger) setzt also auf eine gewagte Prämisse. Fraktus galten Anfang der achtziger Jahre mit ihren wegweisenden Klangexperimenten und ihrer radikalen Ästhetik als Hoffnungsträger der deutschen Popmusik.

Doch es passierte, was in einem solchen Fall passieren muss: Größenwahn, Egomanie, künstlerische Differenzen, Trennung. Ihr letztes Konzert endete tragisch. Danach zogen sich die drei Gründungsmitglieder Dickie Schubert, Bernd Wand und Torsten Bage aus der Öffentlichkeit zurück.

Knapp dreißig Jahre später kommt der Musik-A & R Roger Dettner (Devid Striesow) auf die glorreiche Idee, die Band noch einmal für ein Konzert zu reaktivieren. Bage hat sich in der Zwischenzeit als Produzent von Schlager-Techno („Geil, geil, geil!“) auf Ibiza einen Namen gemacht. Wand arbeitet im elterlichen Brillengeschäft und wird von seiner Mutter gezwungen, seine Notdurft im Schaufenster zu verrichten.

Musik aus dem Wasserhahn

Schubert betreibt ein Internetcafé und hört Musik aus dem Wasserhahn. Die Wiedervereinigung auf Ibiza fällt entsprechend unterkühlt aus, auch die ersten Probeaufnahmen sind ernüchternd. Aber die Idee Fraktus ist größer als die einzelnen Mitglieder. Nostalgie kennt keine Würde und kein Schamgefühl.

In den lichteren Momenten dieses ziemlich großartigen Klamauks macht sich die ganz und gar unzynische Lakonie alter Hasen im Unterhaltungsgeschäft bemerkbar. Studio Braun haben verstanden, dass man der Abgestumpftheit der deutschen Humorindustrie nur mit Sinnentzug begegnen kann: Der Fraktus-Hit „Affe sucht Liebe“ ist das „Katzeklo“ der Post-Rave-Generation.

Jessens Film funktioniert dann auch am besten als böse Replik auf eine Musikindustrie, die ihr Heil im Recycling der Vergangenheit sucht. Als Zeitzeugen halten unter anderem Stefan Remmler, Westbam und Marusha, Dieter Meier von Yello, Jan Delay und Scooters HP Baxxter ihre Gesichter in die Kamera, ohne eine Miene zu verziehen.

Die Ironie soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Fraktus“ ein durchaus liebevolles Werk geworden ist – vollgepackt mit Zitaten, Anspielungen und Re-Enactments (wie ein Auftritt bei „Formel Eins“). Im Vergleich zu diesem Spaßprojekt wirken die gecasteten deutschen Popstars der Gegenwart gleich noch eine Nummer kleiner.

Filmstart von Fraktus ist Donnerstag, 8. November 2012. Mit Heinz Strunk, Rocko Schamoni u. a. Deutschland 2012, 95 Min.

7 Nov 2012

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Busche

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