taz.de -- Entschädigung für Umweltschäden: Chevron-Geld beschlagnahmt
Ein argentinisches Gericht beschlagnahmt das Vermögen des Ölkonzerns Chevron. Dieser hatte die Entschädigung für eine Katastrophe in Ecuador verweigert.
BUENOS AIRES taz | Argentinien hat das Vermögen des US-Ölmultis Chevron beschlagnahmt. Mit einem entsprechenden Beschluss erfüllte ein argentinischer Richter die Forderung eines ecuadorianischen Richters, berichtete der argentinische Anwalt Enrique Bruchou in der vergangenen Woche.
Hintergrund des international wohl einmaligen Vorgangs ist ein Rechtsstreit in Ecuador. Dort war Chevron zur Entschädigung von rund 30.000 Angehörigen einer indigenen Gemeinschaft zur Zahlung von 19 Milliarden Dollar verurteilt worden.
Sie sind von Umweltschäden betroffen, die die Ölfirma auf einer Fläche von rund 500.000 Hektar Regenwald in der nordwestlichen Amazonasprovinz Sucumbíos verursacht hatte. Im Januar war die Milliardenstrafe von einem Berufungsgericht in Sucumbíos bestätigt worden.
Chevron bezeichnete das Berufungsurteil als „ein weiteres krasses Beispiel für die politische Schieflage und die Korruptheit der ecuadorianischen Justiz“. Nach Auffassung von Chevron ist die ganze Angelegenheit durch die Ölfirma Texaco verursacht und mit einer 40 Millionen Dollar teuren Säuberungsaktion bereits 1998 erledigt worden. Texaco wurde 2001 von Chevron übernommen, und für die ecuadorianische Justiz steht damit Chevron in der Verantwortung.
Chevron weigert sich zu zahlen
Für Chevron wäre die Zahlung sicher möglich. Das drittgrößte US-Unternehmen ist in 53 Ländern aktiv, und sein Wert wird auf 220 Milliarden Dollar geschätzt. Doch Chevron weigert sich zu zahlen – auch nachdem der Oberste Gerichtshof der USA einen Einspruch ablehnte. Daraufhin beschlagnahmte Provinzrichter Wilfrido Erazo aus Sucumbíos das noch vorhandene Vermögen von Chevron in Ecuador. Doch dieses beläuft sich mit 200 Millionen Dollar nur auf einen Bruchteil der Summe.
Um an mehr zu kommen, schickte der Richter Zahlungsaufforderungen gegen Chevron an die argentinische und kolumbianische Justiz. Und damit das nicht auf dem juristischen Behördenweg hängen bleibt, reichte er den Antrag auf Beschlagnahme des argentinischen Chevronvermögens beim zuständigen Zivilrichter Adrián Elcuj Miranda ein. Dieser hat dem Antrag jetzt stattgegeben, teilte Bruchou vergangene Woche mit.
Eingefroren sind nun das gesamte Aktienkapital einschließlich der zukünftigen Dividende, über die der Konzern seine Filialen in Argentinien hält, sowie der Anteil an einer Pipeline im Süden des Landes. Hinzu kommen 40 Prozent des künftigen Umsatzes, den Chevron mit den Raffinerien im Land macht, sowie 40 Prozent aller Einlagen, die der Konzern in Argentinien unterhält. Insgesamt gehe es um 2 Milliarden Dollar, so Bruchou.
Die Reaktion von Chevron kam prompt. Chevron habe gar keine Vermögenswerte in Argentinien, teilte der zuständige Sprecher des Konzerns James Craig mit. Alle Geschäftsoperationen werden von Tochtergesellschaften abgewickelt, „die nichts mit dem Betrug der Kläger in Ecuador zu tun haben“, so Craig.
Ob die Entscheidung von Richter Elcuj Miranda in den nächsten Instanzen bestätigt wird, ist als fraglich. Denn sein Diktum kommt der argentinischen Regierung äußerst ungelegen. Seit der Enteignung des spanischen Anteils an der nun wieder argentinischen Erdölfirma YPF sucht sie verzweifelt Investoren, um die Ausbeutung von sogenannten nichtkonventionellen Ölvorkommen auf den Weg zu bringen. Dazu haben Regierung und Chevron erst vor Kurzem ein Absichtsabkommen vereinbart.
11 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Chevron sollte für Umweltverschmutzung in Ecuador 9 Milliarden Dollar Schadenersatz zahlen. Nun wurde die Firma von einem US-Gericht freigesprochen.
Es ist die bislang höchste Strafe im Umweltrecht: Ein ecuadorianisches Gericht fordert von Chevron fast zehn Milliarden Dollar – wegen Verschmutzung des Regenwalds.
Noch vor kurzem jubelte Argentinien über die Verstaatlichung der Ölindustrie. Doch nun muss das Land Ölmultis mit Steuergeschenken locken.
Präsident Rafael Correa wird am Sonntag wohl gewinnen, trotz Kritik von Linken und Indigenen. Sein stärkster Herausforderer ist ein neoliberaler Bankier.
Ecuador erhöht die Steuern für Banken und führt eine Abgabe auf Geldanlagen im Ausland ein. Mit den Einnahmen werden Arme unterstützt.
Die Gewerkschaften Argentiniens riefen zum Streik und alle gingen hin. Es geht um die Einkommenssteuer. Präsidentin Kirchner bezeichnet das als „Drohung“.
Wird Amerika ein Ölscheichtum? Experte Josef Braml sagt, die USA werden kein Selbstversorger. Damit widerspricht er der Internationalen Energieagentur.
Der Staat muss 1,1 Millionen Euro Entschädigung an die indigene Bevölkerung zahlen. Außerdem soll sie künftig in Planungen einbezogen werden.
Auf dem Gipfel Rio+20 werden reiche Länder versuchen, eine „grüne Ökonomie“ durchzusetzen. Anlass, um an einen guten Vorschlag aus Ecuador zu erinnern.
Die australische Regierung hat angekündigt, die größte Meeresschutzzone der Welt zu schaffen. Gebiete mit fossilen Energieträgern sind oft davon ausgenommen.