taz.de -- Bayer Leverkusen - Schalke 04: Von Ochsen und Stieren

Beim 2:0-Sieg gegen Schalke 04 zeigt Bayer Leverkusen, dass sich sein Offensivstil immer mehr dem Vertikalspiel von Borussia Dortmund annähert.
Bild: Schießt aus allen Lagen: Leverkusens Stefan Kießling

LEVERKUSEN taz | Eigentlich verbarg sich hinter den Worten, die das Lächeln aus dem Gesicht von Stefan Kießling fortwischte, die Hochachtung eines Bewunderers. Ob der Begriff Nationalmannschaft ein Reizwort sei, wollte jemand wissen, denn Kießling war ja trotz akuter Stürmernot nicht zur jüngsten Länderspielreise eingeladen worden. Und nun hatte er beim 2:0 (1:0) gegen den FC Schalke wieder einmal gezeigt, was für ein wunderbarer Spieler er ist.

Kießlings Miene verdüsterte sich. „Das nervt“, sagte er kurz angebunden, „ich habe gelesen, er hat mich registriert. Schön.“ Joachim Löw, der namentlich nicht Genannte, hätte an diesem Tag in Leverkusen nicht nur den Torjäger Kießling beobachten können, sondern wieder einmal den leidenschaftlich arbeitenden Mannschaftsspieler.

Kießlings 2:0 (67.) war bereits sein achter Saisontreffer. Im Kalenderjahr 2012 hat der 28-Jährige sogar 21 Tore erzielt, mehr als jeder andere Bundesligaspieler. In Leverkusen schätzen sie aber noch etwas anderes: „Stefan hat nicht nur die Qualität hin und wieder mal ein Tor zu erzielen, sondern es gibt nur wenige Stürmer, die so mannschaftsdienlich spielen“, schwärmte Sportdirektor Rudi Völler, und Kapitän Simon Rolfes meinte: „Wir stehen in diesem Jahr oft ein bisschen tiefer, da ist es wichtig, so einen vorne zu haben, der die Bälle hält.“

Schnelle Gegenangriffe

Leverkusen hat sich tatsächlich ein neues Profil verschafft. Bayer agiert defensiver und physischer. „Wir sind gerannt wie die Ochsen und haben gekämpft wie die Stiere“, sagte Kießling. In der Tat ackern, kämpfen und rennen die Leverkusener in der Defensive, und sie lieben es, ihre Gegner mit schnellen Gegenangriffen zu überfallen.

„Wir wussten, dass Schalke anfällig für Konter ist“, meinte Simon Rolfes. Schon in München haben sie mit ihrem unangenehm zu spielenden System, das drei defensive Mittelfeldspieler vor der Viererkette vorsieht, gewonnen. Mehr und mehr zeige sich „die Handschrift der Trainer“, lobte Völler Sascha Lewandowski und Sami Hyypiä.

Und sie haben genau die richtigen Spieler für ihr Spielkonzept, das mehr und mehr dem Vertikalfußball von Klubs wie Hannover oder Dortmund ähnelt. „Wir können die Bälle im Moment fast schon blind spielen“, sagte André Schürrle, „jeder hat seine Position, jeder weiß, was der andere macht, jeder befindet sich im richtigen Moment genau in seinem Raum.“

Einen der für den neuen Stil so typischen Schnellangriffe krönte Schürrle mit einem fabelhaften 25-Meter-Schuss zum 1:0 (45.), wobei später kontrovers diskutiert wurde, ob Lars Unnerstall im Schalker Tor diesem Ball hätte halten können.

Nur zwei gute Schalker

Es war die Fortsetzung der Schalker Torhüterdebatte. Abgesehen vom extrem schwer zu beurteilenden 1:0 hielt er an diesem Tag hervorragend, und so rätselten die Beobachter später, ob Unnerstall einer jener beiden Schalker war, denen Trainer Huub Stevens eine gute Leistung attestierte. „Neun Spieler hätte ich auswechseln können“, sagte er, „und einer von den beiden, die ich nicht herausnehmen wollte, sieht dann auch noch eine Gelb-rote Karte.“

Gemeint war Kyriakos Papadopoulos, der wenigstens leidenschaftlich kämpfte, aber zehn Minuten vor dem Ende wegen wiederholten Foulspiels in die Kabine musste. Die Schalker waren jedenfalls extrem schlecht gelaunt. Jefferson Farfan lieferte sich nach seiner Auswechslung ein heftiges Wortgefecht mit Stevens, angeblich ging es darum, dass der Angreifer in die Kabine sollte, damit er sich keine Erkältung einfängt.

Das sei normal, meinte Stevens, aber doch blieb der Eindruck, dass die Niederlage einen größeren Schaden angerichtet hat, als nur drei fehlende Punkte im Tabellenbild.

18 Nov 2012

AUTOREN

Daniel Theweleit

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