taz.de -- Steinbrück fordert höheres Kanzlergehalt: Der kleine Häwelmann
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisiert, das Gehalt für Bundeskanzler sei zu niedrig. Seine Parteifreunde reagieren befremdet.
BERLIN dapd | SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück [1][beklagte], dass ein Bundeskanzler zu wenig verdient. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin.“ Gemessen an der Leistung und der Verantwortung und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten werde der deutsche Regierungschef unterbezahlt, kritisierte der frühere Finanzminister in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Steinbrücks SPD-Parteifreunde reagierten befremdet. Altkanzler Gerhard Schröder widersprach ihm ausdrücklich und sagte, Politiker würden angemessen bezahlt und er selbst sei mit dem Kanzlergehalt auch immer ausgekommen. Die CDU im Bundestag stichelte, der Wunsch nach einem Spitzengehalt sollte nicht der Grund sein, Kanzler werden zu wollen.
Kurz vor dem Start ins Wahljahr 2013 bietet Steinbrück damit erneut Angriffsfläche für seine politischen Gegner. Erst vor wenigen Wochen war der 65-Jährige in die Kritik geraten, weil er mit rund 90 bezahlten Vorträgen bei Firmen und Verbänden über drei Jahre 1,2 Millionen Euro an Honoraren eingestrichen hat – zuzüglich zu seiner Abgeordnetendiät.
Merkels Monatsgehalt: 16.085,91 Euro
Das Monatsgehalt Merkels beträgt aktuell 16.085,91 Euro. Doch hat die Regierung im Mai erstmals seit zwölf Jahren wieder eine Erhöhung ihrer Bezüge beschlossen. Im Januar klettert das Kanzlerinnengehalt daher um 200 Euro, weitere Schritte sind im März und August vorgesehen. Ab August beträgt die Vergütung dann genau 17.016,16 Euro. Obendrauf kommt die steuerfreie „Dienstaufwandsentschädigung“ von gut 1.000 Euro im Monat. Weil Merkel auch Parlamentarierin im Bundestag ist, stockt sich ihr Einkommen zusätzlich um die Hälfte der Abgeordnetenentschädigung auf.
Bundesminister verdienen ab August 13.794,70 Euro, Parlamentarische Staatssekretäre 10.573,22 Euro.
Steinbrück kritisierte auch die Diskussion über die Bezahlung von Abgeordneten. Mitglieder des Bundestages arbeiteten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie seien gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. „Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement“, urteilte er.
„Keine erotischen Gefühle für Geld“
Sein Verhältnis zum Geld bezeichnete Steinbrück als „rein instrumentell“. Es habe Zeiten gegeben, in denen er sehr wenig Geld gehabt habe. „Heute bin ich, jedenfalls aus der Sicht vieler Menschen, ein vermögender Sozialdemokrat. Aber Geld löst bei mir keine erotischen Gefühle aus“, sagte der SPD-Politiker.
Altkanzler Schröder äußerte sich befremdet über Steinbrücks Wunsch nach einem höheren Kanzlergehalt. „Nach meinem Eindruck werden die Politiker in Deutschland angemessen bezahlt“, sagte Schröder der Bild am Sonntag. „Ich habe jedenfalls davon immer leben können.“ Dann gab er Steinbrück einen Rat: „Wem die Bezahlung als Politiker zu gering ist, der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel hingegen ist mit Steinbrück einer Meinung. Erst Anfang November sagte er in einem Zeitungsinterview: „Dass der deutsche Bundeskanzler weniger verdient als ein Direktor einer mittelgroßen Sparkasse, finde ich nicht angemessen.“
Andere SPD-Politiker gingen indes deutlich auf Distanz. Der Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz sagte der FAS.: „Als Bundeskanzler zu dienen ist eine hoch faszinierende Tätigkeit, die nicht ganz schlecht bezahlt wird. Wenn wir Politiker uns an den Gehältern in der Wirtschaft orientieren, dann machen wir einen Fehler.“ Politikergehälter sicherten eine gute bürgerliche Existenz, mehr müsse nicht sein.
„Man macht es nicht, um reich zu werden“
Der Kieler Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels sagte dem Blatt, es sei manchmal wichtig, darauf hinzuweisen, dass Politiker nicht übermäßig verdienten. „Doch sollten wir uns eher mit den Gehältern im öffentlichen Dienst vergleichen als mit den Spitzengagen in der Wirtschaft“, sagte er. Dann hätten die Gehälter von Spitzenpolitikern eine sehr ordentliche Größe. Ein politisches Spitzenamt wie das des Bundeskanzlers zu bekleiden, sei auch eine Ehre. „Man macht es nicht, um reich zu werden“, sagte Bartels.
Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider (SPD) sagte, es sei zwar richtig, dass für das Gehalt eines Bundeskanzlers die Spitzenmanager führender Unternehmen keinen Finger rühren würden. Allerdings bedeute das nicht, dass man das Kanzlergehalt erhöhen müsse. „Das ist die bestbezahlte Tätigkeit in der Bundesregierung mit Pensionsansprüchen, die durchaus angemessen sind“, sagte Schneider der Zeitung. Kanzler werde man, um politisch gestalten zu können - ebenso wie man deswegen Bundestagsabgeordneter werde.
Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte, wenn man das Gehalt des Bundeskanzlers mit dem eines Sparkassenchefs vergleiche, gebe es ein Missverhältnis. Daraus folge aber nicht, dass die Politikergehälter erhöht werden müssten. „Wir machen das freiwillig und brauchen keine zusätzlichen Anreize für gewählte Ämter“, sagte er.
„Beschwerden von der Kanzlerin bisher nicht gehört“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Geld könne nicht der Beweggrund sein könne, das Amt des Kanzlers auszuüben. „Umso erstaunlicher ist die regelmäßige Klage des Herrn Steinbrück über die Kanzlervergütung. Beschwerden darüber hat man von der Bundeskanzlerin selbst bisher jedenfalls nicht gehört.“
Einer Umfrage zufolge sieht Steinbrück im Vergleich zu Merkel weiter blass aus. 36 Prozent der Wahlbürger vertrauen der CDU-Chefin mehr als einem möglichen Kanzler Steinbrück (18 Prozent), wie aus einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Bild-Zeitung hervorgeht. Allerdings vertraut mehr als ein Drittel (37 Prozent) keinem von beiden.
29 Dec 2012
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der finnische Präsident Sauli Niinistö verdient ein Drittel weniger als die deutsche Kanzlerin. Trotzdem bittet er die Regierung, sein Gehalt um 20 Prozent zu senken.
Der Linken-Vorsitzende Riexinger legt Peer Steinbrück einen Rückzug nahe. Die CSU erklärt ihn zum absoluten Wunschkandidaten.
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert mehr Geld für das Amt als Kanzler. Das ist keine sensible und keine schlaue Aussage, aber eine authentische.
Der SPD-Kanzlerkandidat redet mal wieder übers Geld. Er beklagt, dass man als Bundeskanzler weniger verdiene als ein Sparkassendirektor. Aber stimmt das?
Ein Mann, der die Kanzlerschaft als eine Art mies bezahlten Geschäftsführerposten begreift, ist für Angela Merkel keine ernsthafte politische Herausforderung.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück findet das Gehalt für Bundeskanzler zu niedrig. Nahezu jeder Sparkassendirektor in NRW verdiene mehr.
Das Bundesfinanzministerium hat unter dem jetzigen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hohe Beraterhonorare an eine Anwaltskanzlei gezahlt – die wiederum Steinbrück bezahlte.
Peer Steinbrück ist SPD-Kanzlerkandidat. Seitdem versucht er, seinen Hang zum flotten Spruch zu zügeln und in weniger Fettnäpfchen zu treten.
Der Kandidaten-Kandidat Peer Steinbrück ist mit 93 Prozent zum SPD-Spitzenkandidaten gewählt. Er beschwört „mehr Wir und weniger Ich“.
Er ist eloquent. Er wirkt kompetent. Aber Peer Steinbrück ist kein Kümmertyp. Die Genossen werden ihn am Sonntag trotzdem zum Kandidaten küren.