taz.de -- Kommtar zu Chinas Visumsschikane: Zensur nicht aus einem Guss
Visum für den „New York Times“-Korrespondent hin oder her. Über den Führungsstil des neuen Staatsoberhaupts sagt das aber noch nicht allzu viel aus.
Chinas neue Führung um Staatsoberhaupt Xi Jinping sendet derzeit widersprüchliche Signale aus. Nur wenige Tage im Amt, verspricht sie, den bisherigen Führungsstil abzuspecken und damit auch die Staatskontrollen zurückzufahren. Prompt berichtet CCTV über Hühnerfleischskandale im Land, über die der Staatssender vorher nicht zu berichten wagte.
Und auch gegenüber ausländischen Journalisten scheinen die chinesischen Behörden wieder freundlicher gesonnen zu sein. Zumindest wurden die Korrespondenten bei der Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung dieses Mal nicht „zum Teetrinken“ geladen. Diese Gespräche erinnerten zumindest in den Vorjahren an Verhöre der Stasi.
Wie jedoch passt dazu, dass einem China-Korrespondenten der New York Times das Visum nicht verlängert wird und er noch vor Jahresfrist mit seiner Familie die Volksrepublik verlassen muss?
Dieser Widerspruch ist ein scheinbarer. Denn tatsächlich sind chinesische Behörden nicht aus einem Guss, ist das Beharrungsvermögen einiger trotz neuer Führung groß. Für die Akkreditierung eines Korrespondenten ist das Außenministerium zuständig. Deren Mitarbeiter sind offen und an einer differenzierten Berichterstattung über China interessiert.
Die Aufenthaltserlaubnis aber erteilt eine Unterbehörde der chinesischen Polizei für öffentliche Sicherheit. Und deren Mitarbeiter sind oft autoritär und stehen zuweilen unter den Fittichen des Propagandaministeriums.
Kann sein, dass der Korrespondent der New York Times sein Visum nicht erhalten hat, weil einigen innerhalb der chinesischen Behörden die jüngste Berichterstattung der US-Zeitung nicht gefiel. Über den Führungsstil des neuen Staatsoberhaupts sagt das aber noch nicht allzu viel aus. Dafür ist Xi Jinping noch zu frisch im Amt.
1 Jan 2013
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