taz.de -- Großbritannien pokert in der Krise: Kopfschütteln über Cameron
Der britische Premierminister will die Eurokrise nutzen, um Sonderkonditionen für sein Land herauszuschlagen. Brüssel lehnt diesen Sonderweg in der EU aber ab.
BRÜSSEL taz | Der britische Premier Cameron will die Eurokrise nutzen, um Sonderkonditionen für sein Land herauszuschlagen. Er strebe eine „neue Vereinbarung“ mit der EU an, sagte Cameron der BBC. Offenbar will er die – ohnehin laxen – EU-Sozialgesetze lockern. Die Ankündigung hat heftiges Kopfschütteln in Brüssel ausgelöst.
Offiziell wollte die EU am Montag zwar nicht Stellung nehmen. Cameron werde seine Position erst Ende des Monats in einer europapolitischen Grundsatzrede bestimmen, sagten EU-Diplomaten, das müsse man abwarten. Offenbar sei der britische Premier von der Drohung eines EU-Austritts abgerückt, machen sich die Offiziellen Mut.
Mit Befremden wird aber notiert, dass Cameron die nach der Europawahl 2014 geplante Reform der Eurozone – und die damit verbundene Änderung der EU-Verträge – nutzen will, um Änderungen am britischen Status vorzunehmen. „Ihr [die Europartner] müsst Änderungen vornehmen, und es gibt auch einige Änderungen, die Großbritannien gern vornehmen würde“, sagte Cameron.
Was damit gemeint ist, bleibt vorerst vage. Cameron deutete zwar an, dass er die auch in Deutschland umstrittene EU-Arbeitszeitrichtlinie abschaffen und Sozialleistungen für Migranten beschneiden will. Das dürfte aber nur ein Vorgeschmack auf sein Forderungspaket sein. Darin dürfte es wohl um den Finanzplatz London gehen, vermuten EU-Insider.
Fiskalpakt abgelehnt
Mit Hinweis auf angeblich drohende Nachteile für die City hatte Cameron im Dezember 2011 den Fiskalpakt abgelehnt. Damals setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ohne mit der Wimper zu zucken, über die britische Blockade hinweg. Doch inzwischen hat Merkel ihre Haltung geändert. Beim ersten Budget-Sondergipfel im November 2012 suchte sie den Schulterschluss mit Cameron.
Die große Frage ist nun, ob dies nur ein taktisches Manöver war, um die Briten bei der Stange zu halten – oder ob Merkel und Cameron tatsächlich gemeinsame Sache machen, wenn es um den Rückbau der EU geht. Einen ersten Hinweis dürfte der nächste Budgetgipfel Anfang Februar geben.
Wenn Cameron und Merkel dann wieder Hand in Hand auftreten, könnte es für die EU ernst werden. Allerdings muss Cameron zunächst seine eigenen Landsleute überzeugen. Nicht einfach: Denn sowohl die Europagegner bei den Torys als auch die EU-Freunde bei den Liberaldemokraten machen mobil.
7 Jan 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der britische Premier Cameron will die Bürger über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. Das geht aus seiner vorab veröffentlichten Grundsatzrede vom Mittwoch hervor.
Wenn die Eurozone überleben soll, muss sofort ein Konjunkturprogramm her. Wer das bezahlt? Vor allem die reichen Euroländer.
Die Maßnahmen gegen die Finanzkrise greifen – daran lassen Merkel und Samaras keinen Zweifel. Nur die Realwirtschaft stört das Bild.
Vor 180 Jahren hat sich Großbritannien die Falklandinseln unter den Nagel gerissen. Nun hat Argentiniens Präsidentin im „Guardian“ eine Anzeige geschaltet.
Die Konservativen in England und Wales streiten über die gleichgeschlechtliche Ehe. Ein entsprechendes Gesetz soll im kommenden Jahr verabschiedet werden.
In der britischen Monarchie dürfen nach 311 Jahren nun auch endlich Katholiken geheiratet werden. Und sonst so?
Auf der Website police.uk können Briten herausfinden, welche Verbrechen in ihrer Nachbarschaft begangen wurden. Kritiker wittern Überwachung und weisen auf Fehler hin.