taz.de -- Neonazi-Netzwerk um „Hammerskins“: Hetzjagd auf der Bühne
Ein interner Bericht des Bundeskriminalamts durchleuchtet die im Geheimen operierenden „Hammerskins“. Und ihre guten Kontakte zur NPD.
BERLIN taz | 400 Neonazis zählte die Polizei an jenem Samstag Ende April in der nordwestmecklenburgischen Kleinstadt Grevesmühlen, oben rechts auf der deutschen Landkarte. Ihr Ziel: der berüchtigte Szenetreff „Thing-Haus“ auf dem Gelände eines ehemaligen Betonwerks.
Unter der Woche bietet hier die NPD Sprechstunden für national gesinnte Bürger – an Wochenenden trifft sich regelmäßig die Kameradschaftsszene zum Feiern. Ein zwei Meter hoher Palisadenzaun samt Stacheldraht soll Neugierige fernhalten.
An jenem Samstag vor acht Monaten stand in dem Haus im Grevesmühlener Gewerbegebiet ein „Hammerskins“-Konzert auf dem Programm. Mit dabei: die estnische Rassistenrock-Band Preserve White Aryans, zu Deutsch: Erhaltet die weißen Arier. Brauner geht es kaum.
Die „Hammerskins“ sind eine im Verborgenen agierende rassistische „Bruderschaft“, die 1986 in Texas gegründet wurde und seit Anfang der 90er Jahre auch in Deutschland aktiv ist. Ihr Logo: zwei gekreuzte Hämmer, die für die weiße Arbeiterklasse stehen sollen.
Die Zukunft der „Rasse“
Das Leitmotto: die „14 words“ des US-Terroristen David Lane: „Wir müssen die Existenz unserer Rasse und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.“ Dass es manche „Hammerskins“ todernst meinen, zeigte sich im August im US-Bundesstaat Wisconsin: Ein Mann aus der Szene erschoss sechs Menschen in einem Sikh-Tempel.
Wie aktiv und gefährlich die „Hammerskins“ in Deutschland sind, ist umstritten. Linkspartei-Politiker wollen sie verbieten lassen. Der Verfassungsschutz erwähnt das Netzwerk in seinem aktuellen Jahresbericht dagegen nur in einem Halbsatz.
Nun hat das Bundeskriminalamt im Zug der Ermittlungen zur Terrorzelle NSU eine eigene, zwanzigseitige Analyse zu den „Hammerskins“ erstellt, die die taz einsehen konnte. Dort ist die Rede von 193 bekannten Mitgliedern und Sympathisanten des Neonazi-Netzwerks in Deutschland. Von fast der Hälfte wisse man, dass sie Straftaten begangen haben: Volksverhetzung, rechte Propaganda, aber auch Gewaltdelikte.
Die Bands, die den „Hammerskins“ zugeordnet werden, tragen Namen wie Hetzjagd, Frontalkraft oder Deutsch Stolz Treue. „Brüder auf die Straße, Kampf dem System“, heißt es in den Texten der Skinhead-Gruppen. Oder noch eindeutiger: „Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen. Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut auf dem Asphalt.“
Europatreff „Hammerfest“
Die „Hammerskins“ organisieren ähnlich wie das im September 2000 verbotene „Blood & Honour“-Netzwerk rechtsextreme Konzerte. Für die Anreise scheuen die Neonazis auch weite Wege nicht. Bei Szene-Events in der Schweiz, in Frankreich oder Spanien registriert die Polizei immer wieder Dutzende Rechtsextreme aus Deutschland.
Erst vor wenigen Wochen fand in der Kleinstadt Toul in Lothringen, 140 Kilometer von Saarbrücken, das Europatreffen des Rassistenclubs statt: das „Hammerfest“. An die 2.000 Neonazis kamen in einer Lagerhalle im Industriegebiet der Stadt zusammen, die den französischen „Hammerskins“ als „Clubhaus“ dient.
In Deutschland werden „Hammerskins“-Konzerte laut der internen BKA-Analyse immer wieder auch unter Beteiligung der NPD organisiert. Demnach trat im Mai 2007 die Band „White Voice“ im damaligen NPD-Objekt „Alte Gräflich Leininger Mühle“ im rheinland-pfälzischen Kirchheim an der Weinstraße auf. Im Juli 2009 spielte eine Schweizer „Hammerskin“-Band auf dem Anwesen eines NPD-Funktionärs im bayerischen Altötting.
Bis zu elf „Hammerskins“-Ableger („Chapter“) soll es in Deutschland schon gegeben haben, die ersten entstanden in Berlin und Bremen. Als derzeit „führende Struktur der deutschen Hammerskins“ bezeichnet das BKA das Chapter „Westmark“, das in Rheinland-Pfalz, Südhessen und im Saarland aktiv ist.
Das Netzwerk
Dessen Kopf, der Ludwigshafener Neonazi Malte Redeker, verfüge über „zahlreiche bundesweite Kontakte zu Betreibern von Musikverlagen, zu rechten Musikgruppen aus dem In- und Ausland, zu verschiedenen Kameradschaften und zu NPD-Funktionären“.
Aber auch im Nordosten Deutschlands ist das Netzwerk inzwischen aktiver. „Seit 2012 scheint sich die Hammerskin-Szene in Mecklenburg-Vorpommern zu beleben“, schreibt das BKA. Und auch hier gibt es Querverbindungen zur NPD.
Das festungsähnliche „Thing-Haus“ in Grevesmühlen zeigt wie kaum ein anderer Ort, wie die rechtsextreme Partei mit den Fußtrupps der Neonaziszene vernetzt ist. Seit April 2010 haben hier die NPD-Abgeordneten Udo Pastörs und Stefan Köster ihr „Bürgerbüro“. Gleichzeitig dient das Gelände als Sitz eines rechten Onlineportals – und als Veranstaltungsort für braune Seminare, Feste und Konzerte.
Der Eigentümer des „Thing-Hauses“, der Abrissunternehmer Sven Krüger aus dem Dorf Jamel bei Grevesmühlen, wird in einem von Bund und Ländern erstellten Bericht für ein mögliches NPD-Verbot als „Führungsperson der Hammerskins in Mecklenburg-Vorpommern“ bezeichnet.
Maschinenpistole zu Hause
Krüger saß für die NPD im Kreistag und war Beisitzer im Landesvorstand der Partei, gab dann aber seine Ämter auf – die Polizei hatte bei ihm gestohlenes Baugerät und eine Maschinenpistole gefunden. 2011 wurde er wegen unerlaubten Waffenbesitzes und gewerbsmäßiger Hehlerei zu über vier Jahren Haft verurteilt.
Wenige Tage vor dem Urteil kamen um die 200 Neonazis zu einem Konzert in das Dorf ihres Kameraden. Gesichtet wurden mehrere NPD-Kader – und führende Köpfe der arischen Bruderschaft „Hammerskins“.
11 Jan 2013
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