taz.de -- Guatemalas Ex-Diktator vor Gericht: Völkermord an den Maya

Efraín Ríos Montt und sein ehemaliger Geheimdienstchef müssen 30 Jahre nach ihrer Gewaltherrschaft vor Gericht. Die Anklage heißt Völkermord.
Bild: Protestaktion in Guatemala City gegen die jahrzehntelange Ignoranz der Justiz.

SAN SALVADOR taz | Dreizehn Jahre lang haben Menschenrechtsorganisationen in Guatemala darum gerungen, General Efraín Ríos Montt vor Gericht zu bringen. Am Montag ist es ihnen gelungen. Ein Gericht für sogenannte Hochrisikofälle entschied in Guatemala-Stadt, dass sich der blutrünstigste unter den Diktatoren des Landes vom kommenden Donnerstag an wegen Völkermord verantworten muss.

Zusammen mit dem inzwischen 86-jährigen Ríos Montt ist dessen ehemaliger Geheimdienstchef, Mauricio Rodríguez, 67, angeklagt.

Das Gericht bewertete die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise als ausreichend, um die Verantwortung der beiden für den Tod von 1.771 Indígenas der Maya-Ethnie Ixil zu unterstellen.

Die waren 1982 und 1983 von der Armee in drei Gemeinden der ländlichen Provinz Quiché bei zwei Feldzügen gegen die Guerilla massakriert worden. Die Staatsanwaltschaft präsentierte 84 Zeugen, 61 materielle Beweise und 128 Schriftstücke.

In der Anhörung wies Staatsanwalt Orlando López darauf hin, dass bei der Exhumierung von Massengräbern fast ausschließlich Gebeine von Kindern und alten Leuten gefunden wurden – Menschen also, die von ihrem Alter her nicht als Guerilleros infrage gekommen seien.

Ríos Montt hatte im März 1982 geputscht und danach 18 Monate lang regiert. Sie waren die blutigsten in 36 Jahren des guatemaltekischen Bürgerkriegs (1960 bis 1996).

Die Wahrheitskommission

Die UNO-Wahrheitskommission hatte in ihrem Abschlussbericht 1999 festgestellt, dass die Armee in dieser Zeit nicht nur Guerillakämpfer, ihre Unterstützer und Sympathisanten als „inneren Feind“ angesehen habe, sondern genauso „Zivilisten bestimmter ethnischer Gruppen“. Sie bewertete dies als Völkermord an den Maya.

Da Ríos Montt in Guatemala lange unbehelligt leben konnte, erstattete die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, selbst eine Maya, im Jahr 2000 Anzeige in Spanien. Die wurde 2007 zurückgewiesen.

Menschenrechtsgruppen in Guatemala versuchten weiter, den ehemaligen Diktator in seiner Heimat vor Gericht zu bringen. Der war von 1994 bis 2012 Abgeordneter des Parlaments und genoss strafrechtliche Immunität. Kurz nach seinem Ausscheiden wurde er unter Hausarrest gestellt.

Juristische Tricks

Seinen Verteidigern aber gelang es, einen Prozess mit juristischen Tricks wieder und wieder zu verzögern. Kurioserweise war dabei ein gewendeter Exguerillero, der Anwalt Danilo Rodríguez, am erfolgreichsten. Während der Anhörung sagte er: „Es hat nicht nur kein Völkermord stattgefunden, es gibt auch keinerlei Verantwortlichkeit der beiden Angeklagten.“

Ríos Montt und sein ehemaliger Geheimdienstchef nahmen die Entscheidung des Gerichts ohne sichtbare Rührung auf. Menschenrechtsorganisationen und Angehörige der Opfer des Diktators jubelten.

Sie hatten vor dem Gericht einen Altar mit Fotos der Ermordeten und Verschwundenen aufgebaut und feierten die Entscheidung mit einem Feuerwerk.

29 Jan 2013

AUTOREN

Cecibel Romero
Cecibel Romero

TAGS

Guatemala
Maya
Völkermord
Bürgerkrieg
Diktatur
Wahrheitskommission
Guatemala
Guatemala
Efraín Ríos Montt
Mittelamerika
Efraín Ríos Montt
Guatemala

ARTIKEL ZUM THEMA

Menschenrechtsverbrechen in Guatemala: Die blutigen Jahre vor Gericht

Wegen Massakern an der indigenen Bevölkerung Anfang der 1980er Jahren steht seit Montag ein 91jähriger Ex-Generalstabschef vor Gericht.

Kriegsverbrechen an den Ixil-Maya: Guatemala entschuldigt sich

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden: Guatemala muss umfassende symbolische Wiedergutmachungen für den Genozid an den indigenen Ixil-Maya leisten.

Verurteilung von Ríos Montt: Krieger der Entmenschlichung

Die Verurteilung des guatemaltekischen Ex-Diktators Ríos Montt hat historischen Wert. Erstmals bestätigt ein Gericht den „Völkermord“ an den Ixil-Maya.

Genozid-Prozess in Guatemala: 80 Jahre Haft für Ex-Diktator Montt

Ein Gericht verurteilt den 86-jährigen Ex-Diktator Ríos Montt. Ihm werden Völkermord an den Ixil-Mayas und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.

Völkermordprozess in Guatemala: Rios Montt fühlt sich unschuldig

Am letzten Tag des Völkermordprozesses gegen Guatemalas Ex-Diktator spricht der 86jährige zum ersten Mal. Jetzt wartet er auf ein Urteil.

Ex-Militärdiktator in Guatemala: Der alte Schlächter vor Gericht

15 Massaker, 1.771 Tote, 400 zerstörte Maya-Dörfer: Efraín Ríos Montt, ehemaliger Militärdiktator Guatemalas, wird endlich der Prozess gemacht.

Justiz in Guatemala: 70 Jahre Haft für Folter und Mord

In Guatemala wurde der Chef eines Spezialkommandos der Polizei verurteilt. Er ließ im Bürgerkrieg einen Studenten foltern und dann verschwinden.

Guatemala verweigert Opferentschädigung: Menschenrechte sind zu teuer

Die rechte Regierung in Guatemala geht eigene Wege. Sie will keine Urteile des Interamerikanischen Menschengerichtshofs für die Zeit des Bürgerkriegs vor 1987 mehr akzeptieren.

Aufarbeitung in Guatemala: 7710 Jahre Haft für 256 Morde

Auch unter einem General als Präsidenten geht die Aufarbeitung des Bürgerkriegs weiter. Fünf ehemalige Paramilitärs werden für Kriegsverbrechen verurteilt.