taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Kabinettsstückchen der Rebellen
Die Séléka-Rebellen, die im Dezember einen Großteil des Landes erobert hatten, ziehen in die Regierung ein – und werfen Präsident Bozizé Wortbruch vor
BERLIN taz | Eine Regierung der nationalen Einheit hätte der krönende Abschluss eines Friedensprozesses für die Zentralafrikanische Republik werden sollen. Jedenfalls war das so gedacht nach dem Blitzkrieg der Rebellenkoalition „Séléka“ (Allianz), die im Dezember die Hälfte des Landes erobert hatte und bis kurz vor die Hauptstadt Bangui vorrückte. Eine Friedenskonferenz in Gabun im Januar ging am 11. Januar mit der feierlichen Unterzeichnung einer Reihe von Abkommen zu Ende, unter anderem über eine Übergangsregierung unter Führung der demokratischen Opposition.
Diese Regierung soll bis 2014 vorgezogene Wahlen organisieren. Aber seit am Sonntag früh im Staatsrundfunk das Präsidialdekret zur Regierungsbildung verlesen wurde, stehen die Zeichen eher wieder auf Krieg.
„Wir erkennen uns in dieser Regierung nicht wieder und wir werden da nicht drinsitzen“, erklärte Séléka-General Mohamed Dhaffane, der gerade erfahren hatte, dass er jetzt Wasser-, Wald- und Umweltminister ist. Dabei schienen die Rebellen gut abgeschnitten zu haben. Wie in Gabun vereinbart, erhielten sie den Posten des Verteidigungsministers, der zugleich Vizepremierminister wird. Das Amt bekommt Séléka-Führer Michel Djotodjia, der bei den Friedensgesprächen mit Turban erschienen war, als sei er Sudanese.
Doch mit General Antoine Gambi als „delegiertem Verteidigungsminister“ bekommt der Rebellenführer einen präsidialen Aufpasser an die Seite gestellt. Es gibt noch mehr solcher Winkelzüge. Das wichtige Bergbauministerium wird in „Minenentwicklung“ und „Geologie“ aufgeteilt. Das Präsidentenlager erhält Ersteres, Séléka Letzteres. Das Präsidentenlager behält das Außen- und das Wirtschaftsministerium. Dass ein Oppositioneller Postminister wird, ist mangels funktionierender Post kurios. Ebenso die Ernennung eines Rebellensprechers zum Regierungssprecher.
Menschenrechtler als Premierminister
Die Rebellen waren in die Friedensgespräche mit der Forderung gegangen, Präsident Bozizé möge zurücktreten und sich in Den Haag vor Gericht stellen lassen. Dies nahmen sie auf Druck der Nachbarstaaten zurück und willigten in Bozizés Angebot einer Regierung der nationalen Einheit ein. Geführt wird diese vom Menschenrechtsaktivisten Nicolas Tiangaye, Gründer der Zentralafrikanischen Menschenrechtsliga. Der Jurist wurde am 17. Januar zum Premierminister ernannt und sollte freie Hand für die Regierungsbildung bekommen. Jetzt ist der Staatschef ihm unilateral zuvorgekommen.
Séléka hatte am 1. Februar daran erinnert, dass die neue Regierung nicht aus Wahlen hervorgehe, sondern aus einer „politisch-militärischen Krise“ und dass „eine ungewöhnliche Situation ungewöhnliche Maßnahmen“ erfordere. In weiser Voraussicht hatten die Länder, die im Dezember angesichts des Rebellenvormarsches Truppen in die Hauptstadt Bangui entsandt hatten – Staaten der Region, Frankreich und Südafrika –, ihre Soldaten trotz der Friedensabkommen vor Ort belassen. Sie werden vielleicht noch gebraucht.
4 Feb 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Rebellen, die den zentralafrikanischen Präsidenten Bozizé gestürzt haben, hatten ihn vor zehn Jahren an die Macht gebracht.
Nach dem Sturz Bozizés eröffnet sich die Chance, die Umsetzung des Abkommens endlich voranzutreiben. Der Fahrplan liegt seit Januar vor.
Zentralafrikas Präsident Bozizé ist geflohen. Die Seleka-Miliz hat den Präsidentenpalast in Bangui eingenommen und kontrolliert die Stadt.
Zwei Monate Frieden sind vorbei: Die Séléka-Rebellen nehmen eigene Minister als Geiseln. Ihr Hauptproblem: Präsident Bozizé und seine Milizen.
Rebellen besetzen weitere Orte, obwohl sie seit Februar Teil der Regierung sind. Sie werfen Präsident Bozizé vor, den Friedensprozess zu hintertreiben.
Die Verhandlungen zwischen Rebellen und Regierung kommen voran. Die Forderung nach einem Rücktritt von Präsident Bozizé ist vom Tisch.
Die Afrikanische Union schaltet sich in die Konfliktdiplomatie ein. Die Aufständischen nehmen immer mehr Städte ein und stehen kurz vor der Hauptstadt.
Die Rebellen der Zentralafrikanischen Republik nähern sich der Hauptstadt Bangui. Präsident Bozizé hat den Aufständischen kaum etwas entgegenzusetzen.
In nur zehn Tagen hat eine neue Koalition bewaffneter Aufständischer weite Teile der Zentralafrikanischen Republik erobert. Jetzt kommt Tschads Armee.
Fiktive Wahl in einem fiktiven Staat: Den Großteil der Zentralafrikanischen Republik hat Präsident Bozizé an Banden aufgegeben. Trotzdem feiert er sich als "Aufbauer".
Ein Zehntel der eigenen Bevölkerung als Vertriebene im eigenen Land: Die zentralafrikanische Republik gerät außer Kontrolle. Rebellengruppen machen sich breit, Wahlen ersatzlos gestrichen.