taz.de -- Preis der Leipziger Buchmesse: Blutsschwestern und Systembrüder

David Wagner ist mit „Leben“ der einzig namhafte Finalist für den Belletristik-Preis der Buchmesse. Zum ersten Mal ist der Verbrecher Verlag nominiert.
Bild: Können auch entzücken: buchmessenpreisnominierte Buchrücken.

Die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 stehen fest. Wie die Jury am Donnerstag bekannt gab, wählte sie in der Kategorie Belletristik die Romane „Krohnhardt“ von Ralph Dohrmann, Lisa Kränzlers „Nachhinein“, „Brüder und Schwestern“ von Birk Meinhardt, David Wagners „Leben“ und „Der Winter tut den Fischen gut“ von Anna Weidenholzer.

Es ist eine Auswahl, die, wenn man so möchte, zwei Tendenzen erkennen lässt. Zum einen gibt es da den historisch grundierten Großroman, angeführt von Dohrmanns 900 Seiten starkem „Krohnhardt“ (Ullstein), in dessen Zentrum ein Bremer Unternehmersohn in der Nachkriegsbundesrepublik steht, der sich der hanseatischen Familientradition zu entziehen versucht.

Das östliche Pendant dazu bildet Birk Meinhardts großes Gesellschaftspanorama „Brüder und Schwestern“ (Hanser) über eine Familie in der Endphase in der DDR, die tagtäglich den Spagat zwischen Anpassung und Verweigerung proben muss.

Zum anderen herrschen der subjektive Blick und das innere Erleben vor. David Wagner bietet in „Leben“ (Rowohlt) eine Innenansicht des eigenen Körpers, dessen nur gelegentlich ironisch abgefederte Direktheit beim Lesen schon mal für Atemnot sorgen kann: Wagner schildert höchst – hier passt es tatsächlich – eindringlich, wie er mit Mühe und Not heftige innere Blutungen überlebte und dann mit der Frage konfrontiert war, ob er sich eine neue Leber einpflanzen lassen soll, um weiterleben zu können.

Heftig und sinnlich

Ebenfalls heftig erzählt die 1983 geborene Autorin Lisa Kränzler in ihrem zweiten Roman „Nachhinein“ (Verbrecher Verlag) von der Freundschaft zweier sehr unterschiedlicher Mädchen. Die Lust an der Erkundung von Körperlichkeit wird dabei mit einer spielerischen Begeisterung für die Sinnlichkeit der Sprache enggeführt.

Anna Weidenholzer schließlich wählt in ihrem Debütroman „Der Winter tut den Fischen gut“ (Residenz Verlag) die Perspektive einer arbeitslosen Textilfachverkäuferin. Ihr Alltag zwischen einsamen Tagträumen und absurden Erlebnissen wird lakonisch und mit leichter Ironie geschildert, ohne in die Falle des Elendsvoyeurismus zu tappen.

Zwei kleine Verlage stehen damit gegen drei große, der Verbrecher Verlag geht zum ersten Mal in die Endrunde für den Leipziger Preis. Erstaunlicherweise ist David Wagner der einzige bekannte Autor auf der Liste. Die Chancen stehen daher gut, dass mit der Auszeichnung am 14. März eine neue Entdeckung zu begrüßen ist.

7 Feb 2013

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Tim Caspar Boehme

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