taz.de -- Häfen und ihre Gewerkschaften: Bruderkrieg am Kai

Eine kleine Gewerkschaft für Hafenarbeiter hat Zulauf: Contterm. Viele Mitglieder waren vorher bei Ver.di und sind enttäuscht von der Arbeit der Großgewerkschaft. Die erkennt im Konkurrenten nur „eine Erscheinung“
Bild: Bei welcher Gewerkschaft diese Hafenarbeiter wohl organisiert sind? Seit Ver.di von Contterm Konkurrenz bekommt, ist das nicht mehr klar.

Am Mittwoch veranstaltet der Bremer Landesverband der Linkspartei einen Diskussionsabend zum Thema „Hafenarbeiter in den Seehäfen nicht gegeneinander ausspielen.“ Anlass ist der mittlerweile zugunsten von Kurzarbeit verworfene Plan des Hafenbetreibers Eurogate, MitarbeiterInnen vom Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven nach Bremerhaven zu entsenden – auf Kosten der dort beim Gesamthafenbetrieb (GHB) Beschäftigten. Eingeladen hat die Linke auch Sascha Schomacker, Sekretär der Gewerkschaft Contterm. Die versteht sich als Alternative zu Ver.di, der mehr und mehr HafenarbeiterInnen den Rücken kehren.

Seit Oktober ist Schomacker Contterm-Sekretär. Vorher war er Ver.di-Vorstandsmitglied in Bremerhaven. „Aber ich habe“, sagt er, „gut mit den Kollegen von Contterm zusammengearbeitet.“ Das nahm man ihm krumm: Ver.di leitete ein Ausschlussverfahren gegen ihn ein, angeblich sei er gleichzeitig Ver.di- und Contterm-Mitglied gewesen. Der Vorwurf erwies sich als haltlos und Schomacker blieb, lief aber wenig später freiwillig über: „Mir wurden selbst die Namen meiner gewählten Vorstandsmitglieder vorenthalten – ich konnte so nicht weiter arbeiten.“

„Ver.di verhält sich nicht nur gegen andere Gewerkschaften unsolidarisch, sondern auch gegen kritische Kollegen aus den eigenen Reihen“, bestätigt Wolfgang Kurz, erster Vorsitzender von Contterm. Auch er war einst bei Ver.di, in Hamburg. Als dort 2009 das Terminal Tollerort schließen sollte, „hielt unser Gesamtbetriebsratsvorsitzender alle Informationen darüber zurück. Die wollten die Schließung in Ruhe über die Bühne bringen.“ Kurz ist von einer „Sozialpartnerschaft“ zwischen Ver.di und den Unternehmen überzeugt: „Das gilt bestimmt nicht für alle Fachbereiche, aber für die Häfen ganz sicher.“ Mit GHB- und Eurogate-KollegInnen gründete er deshalb die „unabhängige Fachgewerkschaft für Hafenarbeiter“: Contterm.

Die hatte 2010 keinen guten Start: Auf der Suche nach einem Dachverband landete Contterm beim Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB), der im Ruf steht, „gelb“ zu sein, also vorwiegend Unternehmensinteressen zu vertreten. Unterstützt wurde Contterm vom DHV, dem Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verband – und der genießt nicht nur einen schlechten Ruf, weil er zum CGB gehört, sondern auch, weil er Nachfolge-Organisation des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) ist, einer völkisch-antisemitischen Gewerkschaft, die 1933 freiwillig in die nationalsozialistische „Deutsche Arbeitsfront“ marschierte.

„Es ist kaum möglich, ohne Dachverband eine Gewerkschaft zu gründen“, so Kurz, „und wir hätten auch lieber Unterstützung beim DGB erhalten – aber alle hatten offenbar Angst, Ärger mit Ver.di zu bekommen.“ So sei nur der CGB geblieben. Trotz des Zulaufs äugten deshalb viele HafenarbeiterInnen misstrauisch auf Contterm. „Und sowohl Unternehmen als auch Ver.di haben das ausgenutzt, um Stimmung gegen uns zu machen“, sagt Kurz.

Seit über einem Jahr untersteht Contterm freilich keinem Dachverband mehr, die Zusammenarbeit mit dem DHV ist beendet: „Wir sind unabhängig und wollen‘s auch bleiben“, sagt Schomacker. „Was Cockpit für Piloten ist, soll Contterm für die Hafenarbeiter sein.“

Zum angeschlagenen Ruf, der langsam in Vergessenheit gerät, gesellt sich der Vorwurf von Ver.di, Contterm würde die Hafen-Belegschaften spalten. Kurz und Schomacker widersprechen: Vielmehr bliebe den Kollegen gar nichts anderes übrig, als sich anderweitig zu organisieren. „Jüngstes Beispiel: Ver.di hat die Idee mitgetragen, Angestellte von Wilhelmshaven nach Bremerhaven zu entsenden, obwohl das dort Arbeitsplätze gekostet hätte“, sagt Schomacker. In Folge dessen seien viele GHB-KollegInnen bei Ver.di aus- und bei Contterm eingetreten.

Rund 500 Mitglieder hat die Gewerkschaft in Hamburg, Bremerhaven und Bremen mittlerweile, als nächstes will sie sich um Wilhelmshaven bemühen. Der 15-köpfige Betriebsrat des Bremer GHB besteht aus sechs Contterm-Mitgliedern. In der Bremer Hafenstauerei Schultze gäbe es ohne die kleine Gewerkschaft gar keinen Betriebsrat: Acht Jahre lang war es dem dortigen Geschäftsführer gelungen, entsprechende Wahlen zu verhindern. Contterm setzte sie schließlich durch, „ohne Unterstützung von Ver.di“, betont Kurz.

Die vermisst auch Mirko Basa, seit 2002 Betriebsrat beim Bremer GHB und Vorstandsmitglied der just gegründeten Bremer Contterm-Gruppe: „Bei einer Betriebsratssitzung hat der Vorsitzende ein Suchtmittelscreening für alle Mitarbeiter in der Probezeit gefordert“, erzählt er. „Da fragt man sich: Wen vertritt der eigentlich – die Kollegen oder den Arbeitgeber?“ Vorschläge von Contterm-KollegInnen würden Ver.di-Mitglieder grundsätzlich ablehnen, „Anträge auf Seminare, die für die Betriebsratsarbeit unerlässlich sind, werden abgeschmettert mit der Begründung, sie seien zu teuer.“ Contterm sei an einer konstruktiven Zusammenarbeit der Betriebsräte interessiert, so Schomacker, „aber damit stoßen wir leider nicht auf Gegenliebe.“

„Contterm ist keine Gewerkschaft, sondern eine Erscheinung, die keine Zukunft hat“, sagt Rainer Kuhn, Geschäftsführer des Ver.di-Bezirks Bremen-Nordniedersachsen. „Diese Vereinigung wäre nicht in der Lage, zum Beispiel einen unbefristeten Streik einzugehen, sie ist nicht handlungsfähig, nicht kampffähig und tariflich eine absolute Nullnummer.“ Zu konkreten Vorwürfen von Contterm könne er nichts sagen: „Da müssen Sie sich an den Fachbereichsleiter wenden.“

Der heißt Dirk Reimers und ist trotz mehrfacher Anfrage weder in seinem Büro noch auf seinem Mobiltelefon erreichbar. „Es ist schon komisch“, hatte Reimers im vergangenen Oktober gegenüber der taz geäußert, „Contterm orientiert sich an unseren Tarifen, kritisiert uns aber gleichzeitig dafür.“ Tariffähigkeit strebt Contterm freilich an, in Bremen gibt es dafür bereits eine Komission. „Allerdings“, sagt Schomacker, „hat es auch bei Cockpit zehn Jahre gedauert, bis sie eigene Tarifverträge abgeschlossen hat.“

Manfred Steglich vom Bremer Landesverband der Linkspartei hat die Diskussionsrunde in Bremerhaven mitorganisiert und hätte neben Schomacker und einem Mitglied des Komitees „Wir sind der GHB“ gern auch einen Ver.di-Vetreter dabeigehabt, „aber leider hat das terminlich nicht gepasst“. Er betont, dass er keinerlei Absicht dahinter vermute, trotzdem wirkt er ein wenig genervt: „Ver.di sollte sich langsam an die Existenz einer Konkurrenz-Gewerkschaft gewöhnen.“

26 Feb 2013

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Simone Schnase

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