taz.de -- Kritik an bayerischer Justiz: NSU-Prozess ohne türkische Medien

Das Oberlandesgericht München gibt 50 Journalisten einen sicheren Platz im NSU-Verfahren. Türkische Medien sind nicht dabei.
Bild: Im Saal des OLG München mag was reserviert sein – aber nicht für türkische Journalisten.

BERLIN taz | Es war von Anfang an klar, dass es bei dem in drei Wochen beginnenden NSU-Prozess zu wenige Plätze für die Medien geben wird. An diesem Montag hat nun das Oberlandesgericht München mitgeteilt, wer die 50 sicheren Plätze bekommt. Das Ergebnis dürfte noch etwas Ärger geben, denn: Kein einziges türkisches Medium ist darunter, weder die großen Tageszeitungen Hürriyet, Sabah und Zaman noch die Nachrichtenagentur Anadolu. Dabei hatten acht der zehn Opfer der Neonazi-Terrorzelle türkische Wurzeln.

Die meisten überregionalen deutschen Zeitungen, Zeitschriften und Agenturen, darunter auch die taz, sowie mehrere Regionalmedien und freie Journalisten konnten dagegen einen der 50 Plätze ergattern. ARD und ZDF dürfen sogar mit sechs Vertretern anwesend sein. Das Gericht hat sich nach eigenen Angaben nur danach gerichtet, wer zuerst auf eine entsprechende Aufforderungsmail geantwortet und sich akkreditiert habe. Demnach hätten also die türkischen Medien einen Tick später reagiert und landeten daher nur auf einer Nachrückerliste.

Die Vertreter dieser Medien – darunter auch BBC, New York Times und die internationalen Agenturen AP und AFP – kämen nur dann in den Gerichtssaal, wenn jemand von der Liste der sicheren 50 Plätze nicht zu einem Prozesstermin erscheint. Zumindest zum Auftakt des Prozesses gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Helfer am 17. April scheint das ausgeschlossen. „Ich bin sehr enttäuscht und wütend“, sagte der Nachrichtenkoordinator der Hürriyet in Europa, Celal Özcan.

Vor wenigen Wochen hatte es bereits große Aufregung gegeben, als dem türkischen Botschafter in Deutschland zunächst ein fester Sitzplatz in dem Prozess verweigert wurde. Nach einer heftigen öffentlichen Debatte hieß es aber vom Gericht, man arbeite an einer Lösung.

25 Mar 2013

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Wolf Schmidt
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