taz.de -- Weltsozialforum in Tunis: Im Zeichen der Würde

Mit einer großen Demonstration endet das Weltsozialforum. Mitbestimmung und Migration waren Schwerpunkte des internationalen Treffens.
Bild: Gäste des Forums demonstrieren zum Abschluss ihre Solidarität mit Palästina.

TUNIS taz | Mit einer großen Demonstration ist am Samstag das zwölfte Weltsozialforum (WSF) in Tunis zu Ende gegangen. Die Organisatoren geben die Teilnehmerzahl des Treffens mit über 30.000 an.

Das Forum stand in diesem Jahr unter dem Motto „Würde“, einem der Schlagworte der tunesischen Revolution. Die Zusammenkunft internationaler Nichtregierungsorganisationen habe denjenigen Gehör verschafft, deren Stimme man auf der Welt sonst nicht wahrnehme, so ein WSF-Sprecher.

Neben Entwicklungsfragen wie Nahrungssouveränität oder Migration war der Israel-Palästina-Konflikt eines der Schwerpunktthemen des Forums. Die Abschlussdemo fiel auf den palästinensischen „Tag des Bodens“. Bei ihrem Marsch durch die Innenstadt von Tunis skandierten die Teilnehmer „Befreit Gaza“ und „Nein zur Besetzung“.

Am Vorabend hatten sich die Globalisierungsgegner im großen Hörsaal der El-Manar-Universität versammelt. „Wir wissen, wer die Welt kaputtmacht“, rief eine brasilianische Vertreterin der Kleinbauernorganisation La Via Campesina auf der Bühne, „es sind sind die großen Konzerne, die Multinationalen. Ihre Macht zerstört alles, und deswegen sind wir hier.“

Mitbestimmung im Mittelpunkt

Zuvor hatte ein Via-Campesina-Sprecher die westlichen Agrarkonzerne scharf angegriffen: „Sie kaufen das beste Land, doch statt Lebensmittel für die Menschen produzieren sie Exportpflanzen, Biokraftstoffe oder Futtermittel für Fleischfabriken.“ Er rief die Landwirte auf, sich „weltweit zu vereinen, um ihr Land zu verteidigen“.

„Das Weltsozialforum hat in Tunesien bewiesen, dass es sich thematisch weiterentwickeln kann“, sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. Die Organisation ist als einzige deutsche Initiative im Internationalen Rat des Forums vertreten. Es sei eine richtige Entscheidung gewesen, in dem Land, in dem der Arabische Frühling begann, Menschenrechte und politische Mitbestimmung in den Mittelpunkt zu stellen, sagte Füllkrug-Weitzel. „Die Menschen sind enttäuscht, dass immer häufiger diktatorische Strukturen des alten Regimes wieder aufleben.“ Die Erfolge des demokratischen Aufbruchs seien in Gefahr.

„Für eine Woche war Tunis eine Hauptstadt der Welt“, sagte der tunesische Interims-Ministerpräsident Ali Larayedh bei einem Empfang anlässlich des Forums. Bei der gleichen Gelegenheit dankte Kamel El-Habib, Sprecher des lokalen Organisationskomitees, der Regierung dafür, „bestmögliche Bedingungen“ für das Forum geschaffen zu haben. Im Vorfeld des Forums war bekannt geworden, dass die WSF-Organisatoren der von der islamistischen Ennahda-Partei geführten Regierung „innenpolitische Neutralität“ zugesichert hatten.

1 Apr 2013

AUTOREN

Christian Jakob

TAGS

Weltsozialforum
Migration
Tunis
Israel
Palästina
Gewerkschaft
Schwerpunkt Syrien
Tunis
Weltsozialforum
Weltsozialforum
Weltsozialforum
Weltsozialforum

ARTIKEL ZUM THEMA

EU-Alternativengipfel: Europäische Bewegung gesucht

Vom 7. bis 9. Juni findet in Athen der Alter Summit statt. Auch die deutschen Gewerkschaften mobilisieren zu diesem Treffen der europäischen sozialen Initiativen.

Kommentar Weltsozialforum: Lasst nicht jeden rein!

Das WSF hat seinen politischen Minimalkonsens unter die Wahrnehmungsschwelle gedrückt. Diese daraus folgende Beliebigkeit birgt ihre eigenen Gefahren.

Weltsozialforum in Tunis: Saddam-Poster und Scharia-Aufrufe

Treffen der Vielfalt: Islamistische Gruppen waren eine Minderheit auf dem Weltsozialforum in Tunis, aber eine sehr lautstarke.

Studierenden-Aktivistin über WSF: „Ich habe Angst“

Molka Sousi, Sprecherin des Studierendenverbandes Union générale des étudiants de Tunisie, über den Einfluss der Religiösen in Tunesien und auf dem Weltsozialforum.

Weltsozialforum in Tunis: Das Fähnchen des neuen Libyen

Erstmals sind libysche Zivilorganisationen beim Sozialforum. Sie stöhnen über ihre Regierung und versuchen, Inhaftierten Beistand zu leisten.

Weltsozialforum in Tunis: Religion trifft Politik

Gegen Neoliberalismus. Für Salafismus. Beim Weltsozialforum mischen sich die unterschiedlichsten politischen Gruppen.

Auftakt des Weltsozialforums: Karneval der Protestkulturen

Mit einer Demonstration beginnt das Forum in Tunis. Unter dem Motto „Würde“ finden sich alte Revolutionäre genauso wieder wie Gewerkschaften und Islamisten.