taz.de -- Endlagersuche wird Gesetz: Alles auf Anfang

CDU, SPD, Grüne und FDP einigen sich auf einen Neustart für die Suche nach einem Atommüll-Endlager. Linke und Umweltverbände protestieren gegen das geplante Gesetz.
Bild: Bundesumweltminister Peter Altmaier bringt das Endlagersuchgesetz auf den Weg.

BERLIN taz | Am Ende ging es sogar etwas schneller als erwartet: Nach gut fünfstündigen Verhandlungen haben sich Bund und Länder – kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe – auf einen Neustart für die Suche nach einem Atommüll-Endlager geeinigt. Das dafür notwendige Gesetz soll am 5. Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Einige Details sind allerdings noch offen. „"Wir machen einen neuen Anfang“, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) nach den Gesprächen. „Jetzt besteht die Chance, dass wir zur Befriedung dieses Themas beitragen können.“

Für die Grünen lobte Fraktionschef Jürgen Trittin, das Gesetz mache „den Atomausstieg vollständig“.

Das Gesetz sieht vor, dass zunächst zwei Jahre lang eine Bund-Länder-Kommission mit 24 Mitgliedern Kriterien für Endlager entwickelt. Sie soll zur Hälfte aus Parteipolitikern, zur Hälfte aus Vertretern von Wissenschaft und Gesellschaft bestehen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lobte diese Lösung: „Erstmals werden wir schwierigste Fragen in einem pluralistischen Gremium öffentlich erörtern, um einen Konsens zu erzielen.“

Im Anschluss werden vom Bundestag zunächst mehrere Standorte zur oberirdischen Erkundung festgelegt, anschließend mindestens zwei zur unterirdischen Erkundung.

Entscheidung erst 2031

Noch keine Einigung wurde zu der Frage erzielt, wie sichergestellt werden kann, dass diese Entscheidungen gerichtlich überprüft werden können. Erst im Jahr 2031 soll ein Standort feststehen.

Der umstrittene Salzstock Gorleben bleibt im Verfahren, kann aber zu jedem Zeitpunkt ausscheiden. „Wir gehen davon aus, dass Gorleben nicht geeignet ist“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Weil.

Um keine weiteren Fakten zu schaffen, werden die Arbeiten in Gorleben eingestellt; auch ins oberirdische Zwischenlager sollen keine weiteren Castor-Behälter mehr transportiert werden.

Zwischenlager am AKW

Neu entstehender Atommüll wird – wie schon bisher – an den Atomkraftwerken selbst gelagert. Dorthin sollen nun voraussichtlich auch die für Gorleben vorgesehenen Behälter aus der Wiederaufbereitung aus Frankreich und England geschickt werden. Hierfür sind allerdings noch Verhandlungen mit den AKW-Betreibern notwendig.

Vertreter mehrerer Umweltverbände protestierten vor Beginn der Gespräche gegen das geplante Gesetz. Sie kritisieren, dass Gorleben im Verfahren bleibt, und sehen die geplante Kommission als Alibiveranstaltung. „Wer die Zivilgesellschaft in einer Enquetekommission Fragen beantworten lassen möchte, die das Gesetz längst geregelt hat, der verkauft die Öffentlichkeit für dumm“, sagte Jochen Stay von der [1][Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt].

Auch die Linkspartei, die an den Gesprächen nicht beteiligt war, übte Kritik. Mit dem geplanten Verfahren versuche Altmaier, „das Pferd von hinten aufzuzäumen“, sagte die atompolitische Sprecherin Dorothee Menzner.

9 Apr 2013

LINKS

[1] http://www.ausgestrahlt.de/

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

TAGS

Atommüll
Endlagersuche
Gorleben
Castor
Schwerpunkt Atomkraft
Gorleben
Gorleben
Windkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll
Peter Altmaier
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüllendlager
Atommüll
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll

ARTIKEL ZUM THEMA

Endlager-Standort Gorleben: „Beispielhaft“ oder „willkürlich“?

Im Gorleben-Untersuchungsausschuss kommen Regierung und Opposition zu gegensätzlichen Urteilen. Union und FDP sehen keinerlei Fehler im Verfahren.

Erinnerungen an die Gorleben-Proteste: Von Wachseiern und Knotenbommeln

Nach Gorleben rollen keine Castoren mehr, zumindest bis 2031. Vier taz-Autoren erinnern sich an besoffene ZDF-Reporter und Waldspaziergänge.

Zwischenlager in Schleswig-Holstein: Tausche Wind gegen Atommüll

Schleswig-Holstein sieht Brunsbüttel als mögliches Zwischenlager. Doch man erwartet dafür Zugeständnisse vom Bund.

Atomkraftkritik von Joachim Radkau: Würdiger Abgesang auf die Atomkraft

Joachim Radkau prophezeit den Niedergang der Atomkraft mit skurrilen Fakten. Dabei wird die wissenschaftliche Nüchternheit nicht außer Acht gelassen.

Atommüll unter Wasser: Tausende Fässer in 124 Meter Tiefe

Einem Fernsehteam gelingt es, Atommüll-Fässer auf dem Meeresboden vor Frankreichs Küste zu filmen. Die waren in den 1950er Jahren einfach ins Wasser gekippt worden.

Peter Altmaier über die Endlagersuche: „Mein Lieblings-Grüner ist Trittin“

Der CDU-Umweltminister ist hochzufrieden mit dem Konsens zum Atommüll. Da kann er sich sogar Lob für die Grünen leisten. Doch regieren will er weiter mit der FDP.

Suche nach Atommüll-Zwischenlager: Zoff hinterm Deich

Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck hat Brunsbüttel als Atommüll-Zwischenlager angeboten - hat aber die Rechnung ohne den roten Innenminister gemacht.

Kommentar Endlagersuchgesetz: Nur politisch ein Erfolg

Politisch wäre die Einigung auf ein Endlagersuchgesetz für Peter Altmaier ein großer Erfolg. In der Sache bleiben hingegen Zweifel am Verfahren.

Entscheidung über die Endlagersuche: Neue Kommission für alte Fragen

Dienstag wollen sich Bund und Länder auf das Standortsuch-Gesetz einigen. Entscheidende Details wird ein neues Gremium später entscheiden.

Endlagersuche für Atommüll: Altmaier mit circa fünf Trümpfen

Der neue Entwurf für das Endlagersuchgesetz könnte die Prüfung von bis zu fünf Standorten vorsehen. Gorleben bleibt dabei als Atommüllhalde im Rennen.

Castor-Transporte nach Schleswig-Holstein: Habecks Idee findet keine Freunde

Der grüne Umweltminister möchte solidarisch sein und erwägt Castor-Transporte nach Brunsbüttel. Zu teuer, winken der Innenminister und die Polizeigewerkschaft ab.

Atommüll-Endlager wohl erst 2021: Verzögerungen in Schacht Konrad

Die Sanierung des früheren Eisenerzbergwerkes Konrad ist aufwändiger als gedacht. Der Start der Einlagerung von Atomabfällen könnte sich auf 2021 verschieben.

Gorleben wieder dabei: Wahlversprechen bröckelt

Als SPD-Spitzenkandidat schloss Stephan Weil den Salzstock von Gorleben als Atommüll-Endlager strikt aus. Als Ministerpräsident jetzt nicht mehr.