taz.de -- Kommentar Hochwasserkatastrophe: Trocken bleibt es nur auf dem Berg

Die Forderung nach Retentionsräumen greift zu kurz. Klimawandel ist nicht umkehrbar. Vor dem Hochwasser ist man im Zweifel kaum gefeit.

Man kann, wie jetzt der WWF, mitten in der Hochwasserkatastrophe das alte Lied anstimmen und statt der Einzwängung in Deiche mehr Ausbreitungsflächen für Flüsse fordern. Das bleibt im Prinzip richtig, und Dresden muss auch dank seiner einzigartigen Elbwiesen kein solches Desaster wie Passau befürchten. Kann sein, dass mit größeren Retentionsräumen im Flachland Hochwasserspitzen den einen oder anderen Meter niedriger ausfallen. Gebirgsflüsse wie jene des Erzgebirges, die derzeit Sachsen verheeren, bleiben jedoch ohnehin in ihre Täler eingezwängt.

Letztlich laufen solche Forderungen aber auf eine Rückkehr zu landschaftsbildenden Urzuständen hinaus, wie sie vor der menschlichen Besiedlung bestanden. Passau stünde am sichersten irgendwo oben im Bayerischen Wald und Dresden auf einem der Tafelberge in der Sächsischen Schweiz. Wer das nicht will, muss mit den Tücken der Natur leben. Und die erweist sich einmal mehr als stärker denn menschliches Kalkül. Irgendwie auch tröstlich.

Selbstverständlich muss auffallen, dass sich mit dem unbezweifelbaren Klimawandel für jeden Bürger erfahrbar die Wetterextreme häufen. Sachsen beispielsweise erlebt nach 2002, 2006 und 2010 schon das vierte dramatische Hochwasser binnen elf Jahren. Aber sogar Sachsens Grüne halten es für pietätlos, in der akuten Notlage über solche Grundsatzfragen zu diskutieren. Jetzt ist die Stunde des Zupackens, der tätigen Hilfe, der Solidarität. Neben Lerneffekten im Umgang mit der Natur und beim Hochwasserschutz sind wiederentdeckte Mitmenschlichkeiten das einzig Positive, das man einer solchen Katastrophe noch abgewinnen kann. In Dresden ist aus dem Miteinander das Laubegaster Inselfest entstanden, das seit 2002 jährlich am Elbufer gefeiert wird.

Und die Großkopferten? Es wäre nicht fair, jedem Politikerbesuch in Überflutungsgebieten unter den Generalverdacht des Wahlkampfs zu stellen. Täten sie es nicht, würden wir uns erst recht abfällig über sie äußern. Klar, Brandenburgs heutiger Ministerpräsident Matthias Platzeck gewann als „Deichgraf“ bei der Oderflut 1997 enorm an Renommee. Es empfiehlt sich also, genau hinzuhören, was Politiker im Angesicht des Elends sagen und versprechen. Ausnahmsweise heute auch mal bei Angela Merkel. Und wer unbedingt schimpfen muss, sollte es zuerst über die Versicherungen tun. Die ließen nämlich nach den Schäden von 2002 zahlreiche Hauseigentümer in Risikogebieten im Stich.

4 Jun 2013

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Michael Bartsch

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