taz.de -- Kolumne Später: Vielleicht doch die SPD? Schwierig

Was tun, wenn die Lieblingspartei den eigenen Interessen widerspricht und in die Lebensentwürfe reinquatscht? Nachsichtig sein.
Bild: Bei Sonnenuntergang sieht Politik ganz anders aus

Neulich kamen wir auf die Bundestagswahl zu sprechen, als ich mit Theresa und Thomas und den Campingstühlen zum Sonnenuntergang auf das Tempelhofer Flugfeld zog. Ich selbst habe jetzt so einen neuen Hightech-Stuhl aus dem Outdoorladen. Superleicht, schweineteuer.

„Die CDU“, sagt Theresa und klappt ihren Stuhl von Aldi auseinander, „wäre eigentlich am besten für mich. Wir profitieren doch vom Ehegattensplitting.“ Eine gewisse Sympathie für die CDU hatte sie schon vor Jahren entdeckt, als die konservativen Unionsfrauen gegen das neue Unterhaltsrecht protestierten, das eine SPD-Justizministerin auf den Weg gebracht hatte. Trotzdem hat sie immer links gewählt. Theresa arbeitet in Teilzeit als Sozialpädagogin, Thomas verdient gut mit seiner IT-Firma, die Kinder fast aus dem Haus.

„Wir müssten ein paar tausend Euro im Jahr draufzahlen, wenn das Ehegattensplitting verschwände“, sagt Thomas, er hat seinen Stuhl bereits aufgestellt im Gras. Der Himmel über dem Tempelhofer Feld ist mal wieder spektakulär. „Kämen die Grünen an die Macht und schraubten den Spitzensteuersatz in die Höhe, wären noch mal ein paar tausend Euro weg“, fährt er fort.

„Die Grünen kommen aber nicht an die Macht, jedenfalls nicht allein“, sage ich und stecke meinen Helinox-Campingstuhl mit den metallicblauen Füßen zusammen, meine Stuhlkonstruktion ist komplizierter. „Die Grünen zu wählen, ist letztlich immer ungefährlich.“

Hühnchen rumpfen mit der SPD

Mein zynischer Grundton gefällt mir nicht. Ich habe mit den linken Parteien auch ein Hühnchen zu rupfen. Ist mir unangenehm, wie die SPD-Frauen einem reinquatschen in die Lebensentwürfe. Nicht jede Mutter oder jeder Vater will dringend in Vollzeit arbeiten und den Nachwuchs in Vollzeit abgeben, wenn die Kinder noch klein und knuddelig sind. Manch einer trägt sein Kind in dieser Phase lieber öfter selbst durch die Gegend, ohne gleich ein konservativer Depp zu sein.

„Wählen hat was mit Identität zu tun“, sagt Theresa und lehnt sich in ihren Campingstuhl zurück, „da kann man nicht nur an den Geldbeutel denken.“ Hm. Nichtsdestotrotz kommt mir Tante Zilly in den Sinn, die nach jahrzehntelanger SPD-Wählerei in den 70er Jahren vorübergehend die FDP ankreuzte, nur weil Onkel Wladi befördert worden und die Familie zu Geld gekommen war. „Wir können uns doch nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen“, hatte Zilly damals gesagt. „Am Ende entscheiden vielleicht die Details“, sage ich, „und die aktuelle Lebenslage“.

Meine Bekannte Silke, die in einem Kreuzberger Altbau lebt, will neuerdings die Linkspartei wählen, weil die gegen teure Modernisierungen sind. Und ich finde die Pflege plötzlich ganz wichtig, seitdem Zilly im Seniorenheim lebt. Also vielleicht doch die SPD. Schwierig.

Ich habe mich in meinem Campingstuhl niedergelassen, er ist ein bisschen niedrig, aber okay. „Sitting is believing“ wirbt der Hersteller mit einem Werbefoto, auf dem der Stuhl in einer Mondlandschaft steht. Genial, diese Verbindung aus Bequemlichkeit und Freiheit.

„Früher hätten wir uns einfach ins Gras gesetzt“, grinst Thomas und schaut in unsere Runde, „aber man wird eben älter.“ „Quatsch“, antwortet Theresa, „hier gibt es jetzt einfach mehr Zecken.“

1 Jul 2013

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Barbara Dribbusch

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