taz.de -- Grünen-Chef in Bayern über Fall Mollath: „Die Richter waren überlastet“
Im Fall Gustl Mollath wirft Grünen-Politiker Martin Runge dem Gericht „gravierende Verfahrensfehler“ vor. Und findet die Rolle der Justizministerin „unsäglich“.
taz: Der Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag hat sich mit den Versäumnissen der Finanz- und Justizbehörden im Fall Mollath befasst. Was sind die zentralen Ergebnisse aus Sicht der Opposition?
Martin Runge: Gustl Mollath hat in keinerlei Hinsicht rechtliches Gehör gefunden, was fundamental gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstößt. Vor Gericht wurden gravierende Verfahrensfehler gemacht, die nun Grundlage der Wiederaufnahmeanträge am Landgericht Regensburg sind. Und seine Anzeigen von anonymisierten Kapitaltransfers in die Schweiz wurden nicht beachtet.
Im Juni 2003 schrieb er auf anderthalb Seiten: Meine Frau betreibt Steuerhinterziehung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Im Anhang finden sich Buchungsanordnungen zu Nummernkonten und Anlagenvermögensverzeichnisse. Da hätten Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden weiter nachbohren müssen.
Warum haben sie es nicht getan?
Das ist Spekulation. Sowohl die Richter als auch die Finanzbeamten, die wir im Ausschuss befragt haben, sagten aus, sie seien überlastet gewesen. Vielleicht waren sie froh, Mollaths Anzeigen nach dem Anruf des Vorsitzenden Richters Otto Brixner zur Seite legen zu können.
Brixner war der Vorsitzende der 7. Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth …
Im Februar 2004 rief er beim Chef des mit der Sache betrauten Steuerfahnders an. Danach wurden die Ermittlungen eingestellt. Im Aktenvermerk heißt es dazu: Vor Gericht sei ein Verfahren gegen Mollath anhängig, in dessen Verlauf die Untersuchung seines Geisteszustandes veranlasst worden sei.
Ist das allein durch Überlastung zu erklären?
Vielleicht wollte man auch verhindern, dass ans Licht kommt, dass deutsche Großbanken, allen voran die HypoVereinsbank – die historisch bedingt mit dem Freistaat verbunden war – systematisch an Steuerhinterziehung mitwirken. Offenbar ist man nach dem Motto verfahren: was nicht sein darf, das nicht sein kann. Heute gibt es bereits zwei Strafbefehle und zwei Selbstanzeigen gegen Bankkunden, die auch Mollath schon erwähnte.
Welche Rolle hat Bayerns Justizministerin Beate Merk gespielt?
In unseren Augen eine unsägliche! Sie hat den Landtag und die Öffentlichkeit durchgehend mit Un- und Halbwahrheiten bedient. Aus Mollaths 106 Seiten umfassendem Schreiben hat sie vor dem Landtag nur die wirrer klingenden Teile vorgetragen, aber nicht den Schriftwechsel mit der HypoVereinsbank, in dem klar und deutlich stand: Wir haben die interne Revision eingeschaltet.
Sie hat allen Gutachtern, die Mollath weder Gemeingefährlichkeit noch Wahn unterstellen, die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Sie hat vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, sie habe die Finanzbehörden über die laufenden Vorgänge informiert. Doch das Konvolut Mollaths, das dem Ministerium seit 2004 vorlag, haben die Finanzbehörden erst im Frühjahr 2012 auf Anforderung erhalten.
9 Jul 2013
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