taz.de -- Ausbau von Offshore-Windparks: Zur Hälfte realistisch

Der Windpark-Ausbau in der Nordsee war eigentlich bis 2020 klar abgesteckt. Dem Bericht eines Netzbetreibers zufolge kann das Vorhaben aber nicht umgesetzt werden.
Bild: Die verfehlten Ausbauziele in der Windkraft könnten teuer werden.

BERLIN dpa | Die Bundesregierung wird ihre bis 2020 gesteckten Ziele für den Bau großer Windparks in der Nordsee voraussichtlich klar verfehlen. Ein im Mai übergebener Projektbericht für den Netzbetreiber Tennet kommt zu dem Ergebnis, dass bisher nur Windparks mit einer Leistung von 2900 Megawatt überhaupt über eine Finanzierung verfügen. Die Analyse liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Auch in Regierungskreisen wird inzwischen davon ausgegangen, dass das Ausbauziel angepasst werden muss. Auf Fachebene ist nur noch von 6000 Megawatt bis 2020 die Rede. Offiziell hält die Bundesregierung am Ziel von 10 000 Megawatt neu installierter Offshore-Leistung fest.

In dem Projektbericht heißt es hingegen, dass selbst bis 2023 nur mit 3700 bis maximal 5900 Megawatt an installierter Leistung in der Nordsee zu rechnen sei. Unter anderem ist von erheblichen technischen Problemen die Rede.

Die Offshore-Branche begründet die aktuelle Investitionszurückhaltung auch damit, dass die Förderkonditionen nach 2017 schlechter werden. Sie pocht daher auf sinnvolle Vergütungen darüber hinaus. Für bis 2017 ans Netz gehende Windparks sind für acht Jahre Anfangsvergütungen von 19 Cent je Kilowattstunde geplant. Danach wären es nur noch 13,95 Cent. Aber höhere Vergütungen dürften zugleich auch zusätzlich die Strompreise belasten, da die Bürger die Vergütungen per Ökostrom-Umlage über den Strompreis zahlen.

Millionenschwere Verfehlungen

##

Durch ein Verfehlen der Ausbauziele könnten weitere Kosten anfallen: Dem Bericht zufolge drohen ab 2016 „Leerkosten“ von 500 Millionen bis eine Milliarde Euro für Netzanschlüsse, durch die mangels Windparks aber kein Strom fließt. Diese Kosten würden über die Netzentgelte die Strompreise zusätzlich belasten. „Wir fordern realistische Ziele, damit wir nicht ineffizient Leitungen auf Kosten der Konsumenten bauen“, sagte Tennet-Chef Lex Hartman der dpa.

Die Stiftung Offshore-Windenergie als Sprachrohr der Branche räumte ein, dass die Ziele so nicht zu halten seien. „Wir sehen 6000 bis 8000 Megawatt installierte Offshore-Leistung am Netz bis 2020 als realistische Größe“, sagte Geschäftsführer Andreas Wagner. Sorgen vor zu vielen Anschlüssen und Seekabeln wies er zurück. Auch wenn nicht alle geplanten Windparks sofort kommen würden, sei „ein ausreichend dimensioniertes Startnetz aufzubauen“, betonte Wagner.

Um den Anschluss zu beschleunigen und rechtliche Unsicherheiten aufzulösen, hatte die Bundesregierung eigens eine Haftungsumlage eingeführt, die seit 2013 ebenfalls Teil des Strompreises ist. Der Energie-Experte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel, pochte jüngst wegen der Risiken und hohen Kosten auf einen Offshore-Ausstieg, also einen Verzicht auf einen weiteren Ausbau.

11 Jul 2013

TAGS

Offshore-Windpark
Nordsee
Ausbau
Bundesregierung
Ostsee
Arbeitnehmer
Schweinswal
CO2-Emissionen
Energie
Offshore-Windpark
Windkraft
Verbraucherschutz

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Windparks und Artenschutz: Wale halten die volle Dröhnung aus

Es gibt keinen Grund, auf Offshore-Windparks zu verzichten. Schweinswale werden nicht von Lärm bedroht, sondern von Giften.

Betriebsratswahlen bei Enercon: Sieg gegen Windmühlen

Bei Enercon, dem größten Windkraftanlagenhersteller des Landes, haben Betriebsratswahlen begonnen – wenigstens für einen Teil der Belegschaft.

Rettungsappell von Politik und Wirtschaft: Offshore-Windkraft droht baden zu gehen

Der zweite kommerzielle Windpark in der deutschen Nordsee ist fertig und am Netz, sein Erbauer wankt. Die Branche fordert stabile Rahmenbedingungen.

Kommentar Offshore-Windkraft: Eine gefährliche Machtprobe

Mit ihrem Versuch, die Lärmschutz-Anforderungen für Offshore-Windparks zu verhindern, setzt die Windkraftlobby ihre Akzeptanz aufs Spiel.

Stockende Energiewende: Kohlekraftwerke auf Hochtouren

Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie Gas-Anlagen lieferten im ersten Halbjahr des Jahres 12,4 Prozent mehr Strom. Die Ökostrom-Produktion ging hingegen zurück.

Neue Agentur für Energiewende: Frische Brise für Windräder

Bessere Koordination, weniger Konflikte: Der Staat plant mit Ökoverbänden und Industrie einen Förderverein für Windkraft an Land.

Kritik bei Maritimer Konferenz: Maschinenbauer gegen Merkel

Wirtschaftsvertreter kritisieren die Politik der Bundesregierung bei der Offshore-Windenergie und bemängeln den Zustand des Nord-Ostsee-Kanals.

Maritime Industrie in der Krise: Da hilft nur noch Energie

Mit großen Kähnen ist kaum noch Geld zu machen. Die Schiffsbranche könnte sich mit der Offshore-Gewinnung von Strom aus Wind, Öl und Gas über Wasser halten.

Windkraft in Deutschland: Ausstiegsdebatte um Offshoreanlagen

Windmühlen auf hoher See seien in Deutschland ein teurer Irrweg, sagen Verbraucherschützer. Die Branche wehrt sich - und kommt mit dem Ausbau ohnehin nicht voran.

Verbraucherzentrale und Windkraft: „Seewindanlagen sind Irrläufer“

Laut Verbraucherzentrale sollte Deutschland lieber heute als morgen aus Offshore-Windkraftprojekten aussteigen. Ein Energie-Richtungswechsel sei notwendig.